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Konsequenzen aus dem UrteilAlles eine Frage der Auslegung

Finanzsenator Nußbaum will trotz Schlappe beim Gasnetz das Strom-Verfahren fortsetzen, die CDU lehnt das ab. Zweifel auch bei der SPD.

Die Gasag muss weiter zittern, ob sie das Gasnetz weiter betreiben darf Bild: dpa

Einen Tag nach dem Landgerichtsurteil zur Gasnetz-Vergabe mühten sich die zuständigen Senatsverwaltungen und die SPD-Fraktion, die Niederlage schönzureden. Für Stadtentwicklungs-Staatssekretär Christian Gaebler (SPD) steht es „sportlich gesehen 1:1“: Weil das Gericht zwar der landeseigenen Berlin Energie den Netzbetrieb verweigerte, aber auch nicht dem Antrag der aktuellen Betreiberin Gasag folgte, ihr den Zuschlag zu geben. Noch-Finanzsenator Ulrich Nußbaum hält es auch für möglich, trotz aller Kritik schon am Dienstag das ähnlich konzipierte Strom-Vergabeverfahren fortzusetzen. Das lehnt aber nicht nur die CDU, sondern auch der eine oder andere SPDler ab.

Die 16. Zivilkammer hatte am Dienstag die Senatsentscheidung vom Juni gekippt, Berlin Energie für die nächsten mindestens zehn Jahre zur Gasnetz-Betreiberin zu machen. Gründe waren für die Richter zum einen, dass sich aus ihrer Sicht die Berlin Energie als unselbstständiger Teil der Senatsverwaltung gar nicht hätte bewerben dürfen, zum anderen Verfahrensfehler.

Wie also weiter?, fragte der Abgeordnete Michael Schäfer (Grüne) am Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss des Parlaments den zuständigen Staatssekretär Gaebler. Der bestätigte erst mal, was tags zuvor schon ein Gasag-Vertreter angedeutet hatte: dass die Gasversorgung trotz des Urteils sicher sei, weil die Gasag sich bis zur Klärung weiter um den Betrieb kümmert. „Da braucht niemand Angst zu haben“, sagte Gaebler.

Zudem entsteht dem Land offenbar selbst bei mehrjährigem Stillstand wegen möglicher Berufungs- und Revisionsverfahren kein finanzieller Schaden: Die Gasag hat laut Gaebler zugesichert, die bislang fällige Konzessionsabgabe weiterzuzahlen.

Den landeseigenen Bewerber aus den Verfahren zu ziehen steht für Gaebler nicht an: Berlin Energie habe vom Senat und vom Abgeordnetenhaus den Auftrag, sich zu bewerben – „solange das nicht geändert wird, sehen wir auch keinen Anlass, uns zurückzuziehen“.

Offen ist nicht allein, wie es nun mit dem Gasnetz weitergeht, sondern auch die Fortsetzung des noch laufenden Vergabeverfahrens für das Berliner Stromnetz. Auch dort gehört Berlin Energie in seiner von den Richtern beanstandeten Form zu den letzten drei Bewerbern. Dienstag soll der Senat nach SPD-Ankündigung den nächsten Verfahrensschritt beschließen. Finanzsenator Nußbaum hält das für möglich. Man habe bei den Bewertungskritierien, die beim Gas-Prozess kritisiert wurden, schon in den vergangenen Wochen verbessert. Die Unternehmensform spielt aus Nußbaums Sicht dabei keine Rolle.

Für Koalitionspartner CDU hieße ein solches Vorgehen, so zu tun, als gebe es die Gerichtsniederlage vom vergangenen Dienstag nicht. Man will nicht aufmuskeln, aber auch nicht mitziehen. Heiko Melzer als Wirtschaftsexperte der CDU-Fraktion hofft auf den Führungswechsel in der Finanzverwaltung am Donnerstag: Er geht davon aus, dass der neue Senator Matthias Kollatz-Ahnen die Nußbaum-Haltung nicht ungeprüft übernehmen wird.

Aus der SPD-Fraktion gab es unterschiedliche Sichtweisen. Fraktionsvize Jörg Stroedter hält es wie Nußbaum für angesagt, dass der Senat das Strom-Verfahren am Dienstag fortsetzt. Stadtentwicklungsexperte Daniel Buchholz hingegen sagte der taz: „Ich wage mal die Prognose, dass das am Dienstag nicht auf der Tagesordnung stehen wird.“

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