Konkreter Vorschlag für Stromnetz-Ausbau: Grüne wollen auch mal dafür sein
Die Grünen wehren sich gegen den Vorwurf, immer gegen technische Großprojekte zu sein. Für den Ausbau der Stromnetze legen sie jetzt einen konkreten Vorschlag vor.
Der Wind bläst tüchtig im Dorf Breklum in Schleswig-Holstein, doch der Strom aus dem örtlichen Windpark schafft es nicht immer an die Steckdosen. Bereits 2005 musste die Leitung im Schnitt zweimal pro Monat gekappt werden, um Überlast zu vermieden, teilt die Betreiberin Eon Netz GmbH mit. Für 2011 geht der Energiekonzern davon aus, dass die Windräder 670 Megawatt mehr produzieren, als abtransportiert werden kann. Wenn sich noch mehr Rotoren an Land und auf See drehen, fehlen Leitungen, um den Strom von den Küsten in die Städte zu bringen.
"Wir wollen den Netzausbau, und wir haben Ideen für die Umsetzung", sagt Ingrid Nestle, Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion für Energiewirtschaft. Ihr Wahlkreis liegt bei Breklum. Bei aller grünen Liebe zu Wind- und Wasserkraft wird der Ruf nach neuen Strommasten verdächtig leise, wenn die im eigenen Ort aufgerichtet werden sollen. Wehren sich dann auch grüne Kommunalpolitiker, freut sich die CDU, die das Schlagwort "Dagegen-Partei" für die Grünen erfunden und dafür sogar die passende Internetseite eingerichtet hat. Der Druck auf die Grünen, Vorschläge zu liefern, nimmt zu.
Zumindest im Bereich Netzausbau will die Partei nun eine klare Linie entwerfen. Bei ihrer am Mittwoch begonnenen Klausurtagung berät die Bundestagsfraktion auch hierüber. Nestle wirft Schwarz-Gelb und der konventionellen Energiewirtschaft vor, sie meinten es nicht ernst mit dem Ausbau: "Sie weinen Krokodilstränen, es sei nicht zu schaffen, also fangen sie gar nicht erst an. Wir sagen: Einfach loslegen." Rund 3.700 Kilometer Leitungen müssten bis 2020 entstehen, hat die regierungsnahe Deutsche Energie-Agentur (dena) berechnet.
Nestle relativiert: "Erstens wären 1.000 Kilometer ein guter Anfang, zweitens geht es nur teilweise um neue Trassen." So könnten Netze effizienter werden, wenn alle Kabel für 220 Kilovolt durch den heutigen Standard von 380 ersetzt werden. Und 110-Kilovolt-Leitungen könnten unter der Erde verlegt werden, urteilt Nestle. "Technisch ist das gut machbar, die Mehrkosten fallen nicht so stark ins Gewicht."
Rund eine Million Kilometer Stromkabel führen bereits durch Deutschland, 85 Prozent gehören zum "Verteilnetz", an das jedes Haus angeschlossen ist. Gestritten wird vor allem über den Ausbau der Übertragungsnetze mit ihren baumstammdicken Kabeln, deren unterirdische Verlegung schwierig ist. Werden solche Großprojekte geplant, müsste die Bevölkerung rechtzeitig einbezogen werden, fordert die grüne Energiepolitikerin: "Wir brauchen eine unabhängige Netzplanung und mehr Wettbewerb der Netzbetreiber."
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