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Konjunktur trudelt dieses Jahr gegen null

Theo Waigel kriegt's schriftlich: Ihm fehlen die „Konzepte zur Lösung der Probleme“, sagt das DIW  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Nur Nullen sehen die KonjunkturforscherInnen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) am Horizont. Um höchstens 0,5 Prozent werde das reale Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr in Deutschland wachsen. In Ostdeutschland liege 1996 das Wachstum noch bei 2 Prozent. Doch schon im nächsten Jahr sehen die Auguren, daß der Westen den Osten überholt. „Damit wäre der Aufholprozeß in Ostdeutschland zum Erliegen gekommen“, schreiben die DIW-ForscherInnen in ihrem gestern vorgelegten Konjunkturbericht.

Vor allem der private Verbrauch wird weiter zurückgehen. Privatleute tragen gut die Hälfte zum Bruttoinlandsprodukt bei. Und etwa 50 Prozent der Konsumausgaben gehen ebenfalls in die Kassen der EinzelhändlerInnen. In den ersten Monaten des Jahres sanken ihre Einnahmen um drei Prozent im Verhältnis zum Vorjahr. KaufhausbesitzerInnen beklagten nur 1,3 Prozent Rückgang, aber in den Vorstandsetagen denken sie bereits an Entlassungen. Die neuen Arbeitslosen aus dem Handel werden sich zu den für 1996 prognostizierten durchschnittlich vier Millionen Arbeitslosen gesellen. 1995 waren es im Jahresmittel noch 3,6 Millionen. „Das nur mäßige Wirtschaftswachstum macht Hoffnungen auf eine Wende am Arbeitsmarkt zunichte“, schreibt das DIW.

Null Impuls gehe ebenfalls von der Bundesregierung aus. Sie konzentriere sich auf die Angebotsseite: Löhne und Sozialabgaben runter, dann haben die UnternehmerInnen mehr in der Kasse und investieren. Frieda Normalverbraucherin jedoch habe weniger Geld im Portemonnaie und lähme die Wirtschaft. Zumal Vorstandschefs und Kleinunternehmer nicht wie nötig in Deutschland investieren werden. Maschinen und Anlagen sind nicht ausgelastet, die Absatzchancen im In- und Ausland „wenig rosig“ (DIW). UnternehmerInnen werden daher wenig Lust verspüren, zu investieren. Das DIW rechnet mit einem Prozent Zuwachs für die Ausrüstungsinvestitionen. Dem Konjunkturindikator Maschinen- und Anlagenbau wird es daher schlecht gehen.

Der zweite Frühindikator – die Baubranche – wird ebenfalls weiter schwächeln. In Westdeutschland sacken die Investitionen 1996 um dreieinhalb Prozent ab, in Ostdeutschland wachsen sie nur um ein Prozent. „1997 dürften die Bauinvestitionen stagnieren“, sagen die Experten vom DIW.

Ihre KollegInnen vom Münchner Ifo-Institut, die traditionell eher positive Konjunkturdaten ausgeben, teilten diese Einschätzungen. Die vom Ifo befragten Unternehmen in Ost- und Westdeutschland beklagen eine „weiterhin schlechte Geschäftslage“. Das Fazit aus München: „Eine Wende zum Besseren ist nicht in Sicht.“ Dafür müsse die Regierung „eine vorurteilsfreie Analyse der gesamtwirtschaftlichen Probleme“ erstellen, sagt wiederum das DIW. Doch: „In der Finanzpolitik fehlt ein klares Konzept zur Lösung der vielfältigen Probleme.“

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