Was soll dieser Scherenschnitt? Die quälende, bedrohende, mobbende staatliche Schule auf der einen, die freie, offene, alternative, schlaue Schule in freier Trägerschaft auf der anderen Seite – ist es tatsächlich so einfach? Wohl nur in Pädagogika, da, wo der "Papst der Aufklärung" regiert und die "Freikorps der pädagogischen Reaktion" mit Noten schießen.
Nicht alle Kinder sind wie Marie. Manche sind weder mit einem noch mit drei und auch nicht mit zehn Jahren genial. Andere sind nicht einmal besonders eigensinnig. Ihr ganzes Leben lang nicht. Müssen sie deswegen Opfer eines Systems sein? Darf Schule negative Vorurteil durch positive ersetzen, wenn sie es gut meint? Schön, wenn Marie den energiegeladenen Vorzeigepädagogen in ihr Weltbild passt, aber was wird aus den anderen Kindern? Aus denen, die Reinhard Kahl nicht gefilmt hat, weil sie der versammelten pädagogischen Intelligenz kein Ah! und auch kein OH! entlockt hätten – weil sie nichts und niemanden bestätigen mit ihrem Verhalten?
Auch morgen noch werden die Menschen verschieden sein. Und zwar nicht nur in der Körpergröße oder im Wortschatz. Auch in dem, was man Mentalität nennt. Vermutlich wird es auch in hundert Jahren noch Trantuten geben und Überflieger, Angsthasen und Entdecker, wenn vielleicht auch auf einem durchschnittlich etwas höherem Kompetenzniveau. Wer erwartet, dass diese Unterschiede mit den Schultypen verschwinden, der irrt. Sie können es einfach nicht! Völlig egal, mit welchen Methoden, Materialien oder Freiheitsgraden man den Kindern zuleibe rückt – sie werden unter allen Umständen sie selbst bleiben. Noch als Erwachsene. Man kann ihnen das leicht machen oder schwer, abtrainieren allerdings kann man es ihnen nicht. Und das ist ein Glück.
Unterschiede bergen Risiken, sie sind aber immer auch Chance. Eine Entwicklung braucht nun einmal jeden von uns: Himmelsstürmer und Bedenkenträger, Avantgarde und Bummelletzte. Zeit ist eben doch relativ. Der eine braucht etwas mehr davon und der andere weniger. Neugierig aber sind sie alle irgendwie. Die einen aufs Leben an sich und die anderen auf die einen. Allein möchte kaum einer sein. Gut also, wenn man sich hin und wieder auch außerhalb der eigenen Kreise begegnet. Nicht im Gleichschritt. In der Theorie. Besser noch in der Praxis. Damit dem einen oder anderen auffällt, dass es kein Grund zur Panik sein muss, wenn man anders anders ist als alle anderen.
Vielleicht, dass eines schönen Tages auch die Väter das verstehen. Die, die keine so guten Erinnerungen an die eigene Schulzeit haben. Den größten Stress machen schließlich immer die, die das Andere nicht akzeptieren können. Ratlose Väter sind mindestens so schlimm für ein Kind, wie mobbende Mitschüler oder Lehrer von Gestern. Sie geben ihm nämlich das Gefühl, nicht nur anders zu sein, sondern irgendwie nicht richtig. Und nur das ist falsch.
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