Kongo: Gestrandet in den Bergen

Die schwersten Kämpfe im Osten des Landes seit Beginn des neuen Krieges zwischen Regierung und Nkunda-Rebellen treiben Zehntausende in die Flucht - fern jeder Hilfe.

Flüchtlinge im Ostkongo Bild: dpa

Die Bewohner von Karuba schlafen jede Nacht im Busch. Es regnet ständig, es gibt nichts zu essen, aber in den Häusern aus Zweigen und Lehm ist es zu gefährlich, berichten Helfer aus dem Bergdorf im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Karuba wurde diese Woche von der Regierungsarmee eingenommen, im Rahmen einer Großoffensive gegen Tutsi-Rebellenführer Laurent Nkunda. Der Ort liegt hoch in den Masisi-Bergen der Provinz Nord-Kivu, Hochburg der Nkunda-Rebellen. Und die Kämpfe der vergangenen Woche waren der UN zufolge die schwersten in der Region seit Beginn des neuen Krieges im Ostkongo Ende August: 15.000 Regierungssoldaten gegen schätzungsweise 5.000 Rebellen.

Hatten die Vorstöße der Rebellen Anfang September noch zu einer Massenflucht von Zivilisten in Richtung der von der Regierung gehaltenen Provinzhauptstadt Goma geführt, passiert jetzt das Gegenteil: Die Regierungstruppen dringen in Nkundas Kerngebiet vor, und die Bevölkerung flieht tiefer ins Rebellengebiet. Brennpunkt der neuen Kämpfe ist die Kleinstadt Mushake. Sie wird von der 14. Brigade der Regierungsarmee belagert. Nachdem die UN-Mission Monuc ihre vor kurzem eingerichtete Militärbeobachterbasis in Mushake aus Sicherheitsgründen wieder schloss, sind nun mindestens 10.000 Zivilisten aus Mushake auf der Flucht.

Hilfe gibt es nicht für diese Flüchtlinge - meist Tutsi, die mit dem Schlimmsten rechnen, sollten sie unter die Herrschaft der Regierung geraten. Die 14. Brigade der Regierungsarmee arbeitet nachweislich mit lokalen Hutu-Milizen zusammen, die als Vorhut in den Kampf geschickt werden und deren Ziel die Vertreibung der Tutsi ist. Es gibt auch Vorwürfe, sie würde mit den einst aus Ruanda eingedrungenen Hutu-Milizionären kooperieren. Um sich vor ihnen in Sicherheit zu bringen, hatten die Tutsi der Masisi-Berge in den vergangenen Jahren zugelassen, dass sich Nkunda als Chef eines Rebellenstaates etabliert, den die Regierung nun zerschlagen will. An diesem Montag läuft ein Ultimatum der Regierung an Nkunda ab, die Waffen zu strecken. Ansonsten droht die Armee mit einer "Großoffensive".

Die UN warnt vor einer "humanitären Katastrophe ungewöhnlichen Ausmaßes". Neuesten Angaben zufolge hat der neue Krieg in Nord-Kivu über 163.000 Menschen in die Flucht getrieben, so dass die Provinz über 750.000 Vertriebene bei rund fünf Millionen Einwohnern zählt. Die humanitäre UN-Koordinierungsstelle in Goma rief Kongos Regierung auf, "ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, um die gesamte Zivilbevölkerung auf ihrem Staatsgebiet zu schützen". Denn die Regierung versucht offenbar, das Nkunda-Gebiet auszuhungern.

Hilfskonvois, die aus Goma in die Berge fahren wollen, werden von der Regierungsarmee an der Weiterfahrt gehindert. Ein Konvoi des UN-Welternährungsprogramms, der vor Ausbruch der jüngsten Kämpfe 100 Tonnen Lebensmittel für Kinder in die Stadt Masisi fuhr, kann nicht zurück. Die Armee verlangt von den Hilfswerken, ihre Transporte zu inspizieren - ein Freibrief für Plünderung und Schikanen.

Die Monuc hat in Nord-Kivu knapp 5.000 Soldaten stationiert. Ihr Militärkommandant General Babacar Gaye bestätigte Ende vergangener Woche in einem Interview, dass die Blauhelme den Regierungstruppen helfen - "vor allem mit der Evakuierung von Verwundeten und dem Transport von Verstärkung und Munition". Aber ein direktes Eingreifen im Krieg auf Regierungsseite sei nur bei einer "gemeinsamen Planung" der Militäraktionen möglich. "Das würde unserer Ansicht nach bedeuten, erst alle nichtaggressiven Mittel zur Lösung der Krise auszuloten."

Bemühungen um eine politische Lösung treten aber auf der Stelle. Nkunda lehnt eine Eingliederung seiner Rebellen in die Regierungsarmee ab, solange er nicht weiterhin über seine Truppen verfügen und damit die Tutsi Ostkongos schützen könne. Kongos Senatspräsident Kengo wa Dondo sagte der taz vorige Woche in Berlin, er gehe davon aus, dass es bereits Verhandlungen zwischen Nkunda und Kongos Präsident Joseph Kabila gebe. "Man wird ab dem 15. Oktober sehen, was das gebracht hat", so Kengo. "Nkunda will, dass man ihm Nord-Kivu überlässt, damit er dort die ruandischsprachige Bevölkerung schützen kann, weil er denkt, ohne ihn ist diese Bevölkerungsgruppe schutzlos. Man muss das politisch klären, nicht mit Waffengewalt. Wenn Nkunda akzeptiert, seine Brigaden in die Armee zu integrieren, kann er diese Rolle innerhalb der Armee spielen."

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