: Kongo sucht Feuerlöscher für den Wahlkampf
Neue Gespräche der Allparteienregierung mit der zivilen Opposition in Kinshasa sollen eine politische Krise abwenden. Kurz vor dem Wahlkampfauftakt polarisiert sich die Politik zwischen Verbündeten und Gegnern von Präsidenten Kabila
BERLIN taz ■ In der Demokratischen Republik Kongo sollen politische Gespräche verhindern, dass vor den Wahlen am 30. Juli eine neue innenpolitische Krise ausbricht. Die Allparteienregierung unter Präsident Joseph Kabila kam gestern mit Vertretern der anderen politischen Institutionen und der internationalen Diplomatie zu Beratungen zusammen, um eine „Konzertation“ mit oppositionellen Kräften vorzubereiten. Am Wahltermin wird dabei zwar nicht gerüttelt, wohl aber basteln Kongos höchste Stellen eifrig an neuen Dialogmechanismen.
Am Freitag hatte Präsident Kabila nach zweitägigen Beratungen innerhalb der Regierung angekündigt, es herrsche „Übereinstimmung über die Notwendigkeit von Konzertationen, um die Glaubwürdigkeit und Ruhe des Wahlprozesses zu wahren“. Gespräche würden „einerseits innerhalb der Institutionen und offiziellen Mechanismen stattfinden und andererseits in einem breiteren, noch zu definierenden Rahmen“.
Der Streitpunkt: Am 30. Juni endet gemäß den geltenden Friedensverträgen die Amtszeit der gegenwärtigen Regierung – aber die Wahlen, aus denen ein Nachfolger hervorgehen soll, finden erst einen Monat später statt, und nach geltenden Wahlterminen dürfte es bis Ende November dauern, bis ein Sieger einer eventuellen Stichwahl um das Amt des Präsidenten feststeht. Die Amtseinführung einer gewählten Regierung ist also erst Ende 2006 oder gar Anfang 2007 zu erwarten. So stellt sich die Frage, wie das Land bis dahin regiert wird, zumal die seit 2003 gemeinsam regierenden einstigen Kriegsgegner des Kongo ohnehin schon längst gegeneinander Wahlkampf machen.
Die Forderung nach einem neuen „politischen Dialog“ wird von Kongos größter Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) erhoben, die die Wahlen boykottiert, sowie der katholischen Kirche. Inzwischen haben sich ihr auch die ehemaligen Rebellen des Kongo angeschlossen. Selbst der UN-Sicherheitsrat deutete vor zwei Wochen nach einer Kongoreise an, er sei nicht dagegen. Strittig sind jedoch noch Teilnehmer und Themen.
Parallel dazu kursieren Ängste vor Konflikten um das Wahlergebnis, besonders bei offensichtlichem Wahlbetrug. Als Schlichtungsinstanz stellt die UNO dafür derzeit ein „Komitee der Weisen“ aus respektierten afrikanischen Staatsmännern zusammen. Auch die deutsch geführte EU-Eingreiftruppe „Eufor“, die ab 18. Juli voll einsatzbereit sein soll, ist Teil der internationalen Vorsorgemechanismen gegen einen neuen Krieg im Kongo. In den letzten Wochen war es immer öfter zu Straßendemonstrationen in Kinshasa gekommen, auf denen radikale Oppositionsanhänger mit Gewalt gegen alle Ausländer ab dem 30. Juni gedroht hatten.
Mit den neuen Dialogankündigungen gerät nun die politische Landschaft in Kinshasa in Bewegung. Am Donnerstag verkündete die UDPS die Gründung einer „Front zur Verteidigung des Kongo“ (FDC) zusammen mit rund 50 anderen Parteien, darunter die einst zweitgrößte Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) unter Vizepräsident Jean-Pierre Bemba, den Kabila als gefährlichste Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen fürchtet. UDPS-Führer Etienne Tshisekedi wurde als „moralischer Führer“ der FDC präsentiert. Diese ist nach UDPS-Angaben allerdings kein Wahlbündnis um Bemba, sondern allein eine „Plattform“, um die Forderung nach einem neuen Dialog zu verstärken.
Bemba hatte am Wochenende zuvor seine eigene Wahlallianz „Renaco“ (Zusammenschluss kongolesischer Nationalisten) ins Leben gerufen. Am vergangenen Samstag konterte Präsident Kabila mit der Ausrufung seines Wahlbündnisses AMP (Allianz der präsidialen Mehrheit), die den Sieg des Amtsinhabers bereits im ersten Wahlgang anstrebt. Kabila-Allianz gegen Bemba-Allianz – diese Polarisierung bildet sich einen Monat vor den Wahlen im Kongo heraus.
Während Kabila im Wahlkampf auf seine Bilanz seit seiner Machtübernahme 2001 verweist – also die bisherigen Erfolge des Friedensprozesses – betont Bemba das Thema Nationalismus unter der Parole „100 Prozent Kongolese“. Latente Ausländerfeindlichkeit von Anhängern Bembas, wonach Kabila wegen angeblich ruandischer Abstammung nicht wählbar sei, haben in den letzten Wochen zu häufigen Mahnungen internationaler Beobachter geführt. Kabila nützt dies, denn er kann sich im Vergleich als gemäßigt darstellen.
Offensichtlich der UMP (Union der präsidialen Mehrheit) von Frankreichs Präsident Jacques Chirac nachempfunden, schließt Kabilas AMP auch den bekanntesten Reformpolitiker des Kongo ein: Olivier Kamitatu, bis Ende 2005 Parlamentspräsident und immer wieder als technokratischer Regierungschef ins Gespräch gebracht. Für Kabilas ausländische Verbündete wie Frankreich und die USA könnte ein Premierminister Kamitatu unter Präsident Kabila für die nötige „gute Regierungsführung“ und Korruptionsbekämpfung sorgen, die der Kongo nach den Wahlen als Bedingung für fortgesetzte finanzielle Unterstützung aus dem Ausland leisten muss. DOMINIC JOHNSON