Konflikt um Irans Atomprogramm: Versöhnlichere Töne aus Teheran
Die Debatte im Iran wird mehrstimmiger. Urananreicherung ist für einige politische Vertreter kein Heiligtum mehr, andere können sogar Solanas Vorschlag etwas abgewinnen.
BERLIN taz Nach Angaben aus Teheran sollen bereits nächste Woche im Streit über das iranische Atomprogramm die Gespräche mit den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats und Deutschland wieder aufgenommen werden. Dies teilte der Parlamentsabgeordnete Emad Hosseini nach einer Sitzung des Energieausschusses der iranischen Nachrichtenagentur Fars mit. Demnach soll der Chef der iranischen Atomenergiebehörde, Gholamreza Aghazadeh, dem Ausschuss einen ausführlichen, "recht positiven" Bericht über das Angebotspaket der 5+1-Staaten vorgelegt haben.
Das Paket hatte der EU-Außenbeauftragte Javier Solana am 14. Juni der Führung in Teheran überreicht. Darin wird Iran bei einem Verzicht auf Urananreicherung Unterstützung auf den Gebieten Handel, Finanzen, Landwirtschaft und Spitzentechnologie zugesagt. Zudem soll Iran beim Bau eines Leichtwasserreaktors geholfen und mit Kernbrennstoff versorgt werden. Umso erstaunlicher war, dass die EU zehn Tage danach, ohne die von Teheran angekündigte Antwort abzuwarten, härtere Sanktionen gegen den Iran beschloss, unter anderem das Einfrieren iranischen Vermögens in der EU und Einreiseverbot für 20 Personen. Teheran hatte scharf auf die neuen Sanktionen reagiert.
Die nun versöhnlicher gestimmten Töne sind überraschend. Der Bericht Aghazadehs habe gezeigt, dass das Angebotspaket positive Aspekte enthalte und "ein Schritt nach vorn" sei, sagte Hosseini. Auch die Forderung nach Aussetzung der Urananreicherung sei nicht mehr so eindeutig gestellt. Er habe den Eindruck, dass die Europäer ihre Haltung geändert hätten. "Daher sind wir zu dem Ergebnis gelangt, die Verhandlungen wieder aufzunehmen."
Auch der frühere iranische Außenminister Ali Akbar Welajati und heutige Berater von Revolutionsführer Ali Chamenei hält einen Kompromiss für möglich. In einem Interview mit der französischen Zeitung Liberation erwähnte er die umstrittene Urananreicherung nicht, lehnte aber einen Verzicht auf zivile Kerntechnik ab.
Ob solche Meinungen von der Mehrheit der Abgeordneten bzw. von der Regierung getragen werden, bleibt weiterhin offen. Noch vor wenigen Tagen hatte der neue Parlamentspräsident und frühere Chefatomunterhändler, Ali Laridschani, das Angebot als "Fata Morgana" bezeichnet und erklärt, damit würden die "diplomatischen Trickspiele" fortgesetzt. "Das Paket sieht zwar von außen anziehend aus, der Inhalt ist aber nutzlos", sagte er.
Dennoch scheinen die Verschärfung der Sanktionen und nicht zuletzt die Drohungen Israels, iranische Atomanlagen zu bombardieren, in der iranischen Staatsführung Zweifel über den bisherigen radikalen Kurs ausgelöst zu haben. Sollte Iran doch lieber einlenken und das kompromisslose Beharren auf der Urananreicherung aufgeben? Dies war auch das Thema einer Diskussion mit Sachverständigen letzte Woche im staatlichen Fernsehen.
Schon die Tatsache, dass über ein so heikles Thema öffentlich diskutiert werden durfte, war ein Tabubruch. Noch verwunderlicher war aber, dass manche Teilnehmer Meinungen äußerten, die dem offiziellen Kurs diametral entgegengesetzt waren. Es sei unsinnig zu behaupten, die Urananreicherung bilde eine "rote Linie", die bei den Verhandlungen nicht überschritten werden dürfe, sagte ein Teilnehmer. Sie sei auch "kein Heiligtum", wofür man unnötige Kriegsgefahren und wirtschaftliche Schäden in Kauf nehmen müsse. Auch andere Teilnehmer plädierten dafür, das Angebot genau zu prüfen und das Für und Wider in Übereinstimmung mit den Interessen des Landes abzuwägen.
Die konservative Internetzeitung Tabnak, die dem früheren Chef der Revolutionswächter, Mohsen Rezai, nahesteht, führte letzte Woche eine Meinungsumfrage zum Atomkonflikt durch, an der sich nach Angaben der Zeitung innerhalb von 72 Stunden 35.000 Personen beteiligten. Auf die Frage, ob Iran das Angebotspaket annehmen sollte, meinten 21,38 Prozent, dem Angebot solle bedingungslos zugestimmt werden. 50,46 Prozent forderten grundsätzliche Zustimmung und Verhandlung über Details. Nur 24,32 Prozent sprachen sich für eine radikale Ablehnung aus. Die Umfrage zeige eindeutig, dass die Iraner radikale Lösungen ablehnen, kommentierte die Zeitung.
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