Konflikt um BayernLB-Vorstand eskaliert: Seehofers erster Schiffbruch

Die CSU-Spitze schafft es nicht, die Ablösung von BayernLB-Vorstand Kemmer durchzusetzen. Hunderte Bank-Mitarbeiter fordern seinen Verbleib und wettern gegen den künftigen Ministerpräsidenten.

Vorstandschef Michael Kemmer ist begeistert über so viel Rückhalt aus der Belegschaft der BayernLB. Bild: dpa

MÜNCHEN dpa/ap Ein Fiasko führt zum nächsten. 48 Stunden nach der Veröffentlichung des Milliardenlochs bei der BayernLB bricht im Verwaltungsrat des schwer angeschlagenen Instituts offener Krieg zwischen den beiden Eigentümern aus. Die Staatsregierung als Vertreter des Freistaats will den Bank-Vorstand feuern, aber die bayerischen Sparkassen machen das nicht mit. Bei einem vierstündigen Showdown im fünften Stock der Bankzentrale fliegen am Donnerstagabend die Fetzen. Draußen demonstrieren derweil Hunderte wütender Bank-Mitarbeiter lautstark für ihren bedrängten Vorstandschef Michael Kemmer - und machen ihrem Zorn auf den künftigen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) Luft.

Am Ende steht es vorläufig 1:0 gegen die Staatsregierung, denn die kann sich im nächtlichen Machtpoker nicht durchsetzen. Am Freitagmittag soll die Schlacht in die zweite Runde gehen. Aber schwer beschädigt sind jetzt schon alle - die Bank, ihr Vorstand, die CSU, die Staatsregierung und die Sparkassen. "Diejenigen, die sich durchsetzen wollten, haben sich nicht durchgesetzt", sagt am Ende der sichtlich gezeichnete, bayerische Städtetagsvorsitzende Hans Schaidinger als Vertreter der Sparkassen.

Seehofer droht damit massiver Autoritätsverlust noch vor seinem Amtsantritt als CSU-Chef und Ministerpräsident. Es ist ein Bruderkampf CSU gegen CSU. Auf der einen Seite die CSU-Parteispitze, auf der anderen CSU-Kommunalpolitiker wie Schaidinger auf Sparkassenseite. Finanzminister Erwin Huber (CSU) als Verwaltungsratschef hat wegen der Bankkatastrophe bereits seinen Job verloren. Nach Ansicht vieler seiner Parteifreunde in der CSU-Spitze sollte ihm nicht als einzigem Opfer die gesamte Schuld zugeschoben werden. "Die Agierenden sind die Vorstände", sagt etwa der scheidende Ministerpräsident Günther Beckstein.

Seehofer hat Huber auferlegt, den Bankmanagern personelle Konsequenzen nahezulegen. Doch das geht schief. "Wir als Sparkassen haben deutlich gemacht, dass wir uns nicht reinreden lassen", sagt Schaidinger. Der Regensburger Oberbürgermeister beschreibt die Sitzung als "sehr emotional".

Der sechsköpfige Vorstand unter Kemmer pokert hoch: Die Manager stellten am Donnerstagmorgen kollektiv die Vertrauensfrage - und probten damit den Aufstand. Denn klar ist, dass bei einem Komplett- Austausch der Führungsriege die ums Überleben kämpfende Bank noch näher an den Abgrund geriete. Denn damit wäre offen, wer das gerade erst von der Staatsregierung abgesegnete Rettungspaket für die Bank umsetzen soll. Die sonst so vornehm zurückhaltenden Bank-Mitarbeiter bringt das auf die Barrikaden. Vor dem Beginn der Verwaltungsratssitzung feierten sie die Vorstände im Innenhof der Bankzentrale mit Applaus und riefen zur Unterstützung des Vorstandschefs "Wir wollen Kemmer". Kemmer sagte vor den demonstrierenden Mitarbeitern: "Das ist ein unglaublicher Solidaritätsbeweis. Mit diesem Team wird die Bank es schaffen."

Für den amtierenden Finanzminister und Verwaltungsratschef Huber wurde der Gang zu der Sondersitzung zum Spießrutenlauf. Er wurde mit Buhrufen und gellenden Pfiffen empfangen. Auch der designierte Ministerpräsident Horst Seehofer geriet in die Kritik: Die Demonstranten zeigten Schilder mit der Aufschrift "Kemmer saniert - Seehofer torpediert". Bankmitarbeiter erklärten, Kemmer sei der "richtige Mann, den Karren aus dem Dreck zu ziehen". Ein Kabinettsmitglied hatte vor der Sitzung erklärt, alle sechs Vorstände "werden gegangen werden. Denn so geht es nicht."

Der 51 Jahre alte Kemmer hatte die tiefe Verärgerung, die seine wolkigen Ausführungen über die wahre Größe des Finanzlochs bei den Koalitionsverhandlungen von CSU und FDP auslösten, wohl zunächst selbst unterschätzt. Die BayernLB erwartet in diesem Jahr 3 Milliarden Euro Verlust und braucht eine Kapitalspritze von 6,4 Milliarden Euro von Bund, Freistaat und Sparkassen. Wie und wann die Bank wieder zur Ruhe kommen soll, ist offen. Denn die Mitarbeiter sind überzeugt, dass ihr Chef den lecken Tanker BayernLB am besten durch die raue See steuern könnte. "Der aktuelle Vorstand hat eigentlich alles unternommen, um das Beste aus der Krise zu machen", sagt BayernLB-Mitarbeiter Thomas Graf. Die Führung der Bank sieht er als Opfer der Landtagswahlen und der Regierungsbildung in Bayern. Um andere Landesbanken wie die Landesbank Baden-Württemberg sei es deutlich ruhiger, obwohl die auch Probleme habe, sagt Graf.

Aber auch in der Finanzbranche wird das Beispiel BayernLB für größte Unruhe sorgen. Wenn bei der ersten Bank, die sich aus der Deckung wagt und das staatliche Rettungspaket in Anspruch nimmt, die Führung ausgetauscht würde, dürfte das viele Banker von der Offenlegung ihrer eigenen Probleme abschrecken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.