Kompromiss zwischen Serbien und Kosovo: Chance auf EU-Annäherung gewahrt

Dem Grenzkompromiss zwischen Serbien und dem Kosovo steht wohl nichts mehr im Weg. Auf Druck Belgrads stimmen auch die Kosovo-Serben zu.

Hat wohl Tacheles geredet: Serbenchef Boris Tadic. Bild: reuters

BELGRAD dpa | Serbien hat seine Landsleute im Kosovo doch noch überzeugt. Diese wollen nun dem Kompromiss zwischen Belgrad und Pristina zustimmen und den Weg ebnen für ein vorläufiges Ende des Grenzkonflikts um Handelsblockaden und Zollfragen. Damit sind sie wieder auf Linie der serbischen Regierung.

Die war allerdings im Urlaub. Der verfassungsrechtlich gar nicht zuständige Präsident Boris Tadic zeigte einmal mehr, wer der alles bestimmende Politiker in diesem Balkanstaat ist. Der Staatschef befürchtete offensichtlich, dass die EU-Annäherung als sein außenpolitisches Schlüsselziel ernsthaft in Gefahr geraten könnte, und musste handeln.

Dass Tadic mit den Führern der Kosovo-Serben hinter verschlossenen Türen Tacheles geredet hat, ist unschwer zu erraten. Er dürfte mit der Einstellung der jährlichen Finanzhilfen von weit über 200 Millionen Euro gedroht haben. Ohne diese Zuwendungen stünde die serbische Minderheit im Nordkosovo vor dem Ruin. Bei derartigem Druck kann man schon mal eine politische Kehrtwende hinlegen.

Die Führer der Kosovo-Serben waren nach der Kopfwäsche bei Tadic gar nicht mehr wiederzuerkennen. "Es ist unsere Verpflichtung, die Barrikaden abzubauen", versicherte auf einmal der Bürgermeister von Mitrovica, Krstimir Pantic. "Wir werden unsere Verpflichtungen aus dem Abkommen erfüllen", beteuerte der lokale Serbenführer Radenko Nedeljkovic eilfertig. Das serbische Staatsfernsehen frohlockte auf seiner Internetseite: "Morgen wird Kosovo deblockiert!".

Als Zeichen des guten Willens öffneten die Kosovo-Serben bereits teilweise ihre Barrikaden bei den Gemeinden Zupce und Lepopsavic, so dass eine Fahrspur genutzt werden konnte. Auch bewachten am Montag bereits deutlich weniger Demonstranten diese Straßensperren. Einzig in Rudare, wo die größten Hindernisse aufgetürmt sind - einschließlich eines sieben Meter hohen Metallkreuzes mitten auf der Fahrbahn - blieben die Hindernisse intakt. Auch sicherten hier wie in den letzten Tagen wieder die meisten Menschen die Sperren.

Im Herbst offizieller Kandidat

"Sie wollten sich nicht auf einen Konflikt mit ihrem Staat einlassen", erklärte der Staatssekretär im serbischen Kosovo-Ministerium, Oliver Ivanovic, den plötzlichen Sinneswandel seiner Landsleute. Der mächtige Staatschef Tadic hatte augenscheinlich wieder die politische Hackordnung hergestellt: Denn die Kosovo-Serben können überhaupt nur mit Hilfe Belgrads existieren. Da dürfen die Hilfeempfänger dem Geber nicht vorschreiben, was der zu tun hat.

Tadic dürfte vor allem den Warnschuss aus London und Berlin verstanden haben. Kosovo und Serbien "vergeben eine historische Chance", wenn sie sich weiter streiten, hatte die Botschaft geheißen. Und für Serbien wurde das konkretisiert mit dem Hinweis, dass die EU im Herbst über mögliche neue Beitrittskandidaten entscheidet. Großbritannien und Deutschland stehen bei serbischen Medien im Verdacht, einer schnellen Annäherung Belgrads an Brüssel besonders kritisch gegenüberzustehen.

Nach dem Machtwort von Tadic hofft das Land jetzt, im Herbst offiziell EU-Beitrittskandidat zu werden und auch einen Termin für die Beitrittsverhandlungen zu erhalten. Als Vorleistungen auf diesem Weg gelten die Auslieferung auch der letzten mutmaßlichen Kriegsverbrecher und jetzt die Durchsetzung des Kosovo-Kompromisses. Vor diesem Hintergrund könnten die EU-Länder über einige noch nicht erfüllte Bedingungen hinwegsehen. Dazu gehören die Rückgabe des von den Kommunisten 1945 nationalisierten Privateigentums und ein Eigentumsgesetz sowie die Liberalisierung und Demokratisierung des Mediensektors.

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