Komplett-Recycling der „Costa Concordia“: Öko-Abwracken in Genua
Das Kreuzfahrtschiff „Costa Concordia“ wird in Italien verschrottet. Das soll eine Rückführung aller Materialien garantieren. Die Wirtschaft freut's.
ROM taz | Mit der Ankunft im Hafen von Genua brachte die „Costa Concordia“ am Sonntagmittag ihre letzte Reise hinter sich. Ministerpräsident Matteo Renzi, Hunderte Schaulustige und Pulks von Journalisten aus aller Welt hatten sich eingefunden, um das Wrack in Empfang zu nehmen, das vier Tage zuvor seine Fahrt auf der 370 Kilometer entfernten toskanischen Isola del Giglio angetreten hatte.
Umweltminister Gian Luca Galletti konnte sich einen Seitenhieb auf seine französische Kollegin Ségolène Royal nicht verkneifen. Nachdem sie Sorgen geäußert hatte, bei der Fahrt an Korsika vorbei könne die Umwelt Schaden nehmen, mahnte Galletti, „die französischen Freunde“ müssten lernen, den Italienern „stärker zu vertrauen“. Gut 30 Monate nach dem Unglück vor Giglio – es forderte 32 Tote, darunter 12 deutsche – wird damit das Schlusskapitel in der Geschichte des 300 Meter langen Kreuzfahrtschiffs aufgeschlagen: seine komplette Abwrackung.
22 Monate sind dafür kalkuliert, die Kosten allein für die Verschrottung der „Costa Concordia“ belaufen sich auf 100 Millionen Dollar. Zunächst soll das Schiffsinnere ausgeweidet werden, dann werden alle 14 Decks abgetragen, um schließlich den Rumpf im Trockendock zu zerlegen. Um Umweltschäden zu verhindern, wird das Hafenbecken mit Sperren versehen. Zudem garantieren die Abwracker das Komplett-Recycling aller Materialien. Damit hat sich am Ende die „europäische“ Lösung durchgesetzt, sprich: der auch von Greenpeace geforderte Verzicht darauf, das Schiff etwa in Indien oder in der Türkei abzuwracken. Dort werden bei der Beseitigung von Schiffsrümpfen oft auch elementarste Umwelt- und Arbeitsschutzstandards nicht eingehalten.
Insgesamt soll sich der Schaden für die Reederei – und damit für den sie kontrollierenden US-Kreuzfahrtkonzern Carnival – auf bis zu 1,5 Milliarden Dollar belaufen. Allein der Totalverlust der „Costa Concordia“ schlägt mit 450 Millionen zu Buche, weiter dürften etwa 100 Millionen Entschädigungszahlungen für Angehörige der Opfer, für Passagiere und Crew-Mitglieder fällig werden. Denn auch wenn das Gericht, das gegenwärtig in Grosseto verhandelt, am Ende die Schuld Kapitän Francesco Schettino zuspricht, wird die Reederei als Arbeitgeber in Vorleistung treten müssen. Hinzu kommen Hunderte Millionen Bergungskosten. Einen großen Teil werden die Versicherer tragen müssen.
Derweil veröffentlichte die „Costa“-Reederei eine von ihr in Auftrag gegebene Studie, die der Katastrophe sogar positive Aspekte abgewinnt: 610 Millionen Euro seien bisher für die Bergung des Schiffs ausgegeben worden. Davon seien 370 Millionen in Italien geblieben, die ein zusätzliches BIP von fast 800 Millionen Euro angestoßen hätten – in Krisenzeiten eine wirklich gute Nachricht. Die Steuerzahler dagegen hat die Katastrophe nichts gekostet.
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