Kommunen wollen mehr Anlagen bauen dürfen: Streit um Wind-Rendite

Schleswig-Holstein will seine Windkraft-Flächen verdoppeln. Die Kieler Regierung hat nun einen Plan präsentiert, wo Windräder stehen dürfen. Der enttäuscht viele Gemeinden, deren Angebote durchfielen.

Sind begehrt bei Schleswig-Holsteins Kommunen: Windkraftanlagen wie diese im Kaiser-Wilhelm Koog an der Nordseeküste. Bild: dpa

HAMBURG taz | Es geht um eine zentrale Frage für die Zukunft der alternativen Energieversorgung - und um viel Geld. Wo dürfen in Zukunft in Schleswig-Holstein Windräder gebaut werden? Die Raumplaner des Landes arbeiten an Plänen, die genau diese Flächen für die nächsten Jahre festlegen. Das Ziel: Die potenzielle Anbaufläche soll etwa verdoppelt werden. Bisher sind 0,8 Prozent der Landesfläche mit Windkraftanlagen bebaut - in Zukunft sollen es maximal etwa 1,5 Prozent sein. Im August haben sie erste Entwürfe für diese Pläne vorgelegt - und viele Kommunalpolitiker in den Kreisen und Gemeinden enttäuscht, die auf ein Okay für mehr Windkraft auf ihrem Territorium gehofft hatten. Denn: Alle Gebiete außerhalb dieser sogenannten Windkraft-Eignungsflächen dürfen nicht für diese Ökostrom-Produktion genutzt werden.

Zunächst konnten die Gemeindevertretungen und Stadträte Flächen aus ihrem Gebiet vorschlagen. Diese Entscheidungen haben zum Teil zu heftigen politischen Auseinandersetzungen zwischen Windkraftgegnern und -befürwortern in den Dörfern geführt. Auf Grundlage der eingegangenen Vorschläge hat das für die Landesplanung zuständige Innenministerium nun Entwürfe für Regionalpläne erstellt, die die Flächennutzung regeln. Dabei haben die Ministerialen massiv gekürzt: Sie hatten Angebote der Kommunen für doppelt so viel Fläche. Jetzt könne sich alle Interessierten den Entwurf angucken und kommentieren.

"Wir haben Gebiete abgelehnt, weil die Abstände zu Siedlungen zu gering waren, Naturschutz-Regeln verletzt worden oder weil sonst Siedlungen durch Windkraftanlagen umzingelt gewesen wären", sagt der Sprecher des Innenministeriums, Thomas Giebeler. Vor allem dadurch sei man auf die jetzt verplanten 1,45 Prozent der Landesfläche gekommen. Politische Entscheidungen seien das nicht gewesen. "Es gab aber auch Planungs- und Ermessensentscheidungen", sagt Ulrich Tasch, Landesplaner des Ministeriums. Die Entscheidungen seien nicht willkürlich gewesen, betonen beide - aber man werde die Ablehnungen im Detail erklären und sich der Kritik stellen.

Die Flächen, auf denen Windkraftanlagen stehen dürfen, müssen nach der Rechtslage in Schleswig-Holstein folgende Abstände einhalten:

Einzelhäuser und Splittersiedlungen: 400 Meter

Siedlungen: 800 Meter

Erholungsgebiete: 800 Meter

Gewerbegebiete: 500 Meter

Wälder: 100 Meter plus Rotorradius

Hochspannungsleitungen und elektrifizierte Bahntrassen: bis zu dreiRotordurchmesserlängen

Straßen und nicht-elektrifizierte Bahntrassen: 400 Meter bei Eiswurfgefahr, sonst Nabenhöhe plus Rotordurchmesser

Und die gibt es reichlich, denn viele betroffene Kommunalpolitiker können nicht nachvollziehen, warum sie so wenig berücksichtigt wurden. Die Bürgermeister und die Gemeinde-Gremien gehen nun auf Ursachenforschung - etwa in den Kreisen Rendsburg-Eckernförde, Ostholstein, und im Herzogtum Lauenburg. Zu den dort Enttäuschten gehört der Chef der CDU-Kreistagsfraktion und Bundestagsabgeordnete Norbert Brackmann. "Wir hätten uns mehr gewünscht", sagt er. Er wolle dafür sorgen, dass auch der Kreis eine Stellungnahme abgibt, und versuchen, mit weiteren Flächen in die Regionalpläne aufgenommen zu werden.

Doch warum wollen die Kommunalpolitiker unbedingt Windkraftflächen haben? Brackmann antwortet energiepolitisch: "Wenn wir die Energiewende wollen, müssen wir auf regenerative Energie umsteigen." Auch in der eigenen Region. Das gehöre zur Glaubwürdigkeit.

Jan-Christian Erps, der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Landkreistages sieht vor allem ein "massives wirtschaftliches Interesse" als Ursache für den Unmut in Teilen der Kommunalpolitik. Das Planungsverfahren der Landesregierung sei bisher "ziemlich rund gelaufen". Es gehe bei der Windkraft auch um die Pacht für die Grundstückbesitzer, Einnahmen für lokale Anlagenbetreiber und Stromgesellschaften und nicht zuletzt Gewerbesteuer für die Gemeinden. "Weil der wirtschaftliche Druck so hoch ist, gibt es Streit", sagt er. Schließlich sei die Ausweitung der Windkraftflächen ja gleichzeitig auch eine Begrenzung. Manche Kommunen seien zu spät dran gewesen mit ihrer eigenen Planung, das werde nun bestraft.

Der energiepolitische Sprecher der Grünen im Landtag Detlef Matthiessen sieht das anders: Er findet das Verfahren nicht durchschaubar genug. "Die Betroffenen wissen meistens nicht, warum eine Fläche abgelehnt wurde", sagt er. Das Innenministerium müsse da transparenter werden.

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