Kommunalwahlen in Italien: Schlappe für Berlusconi in Mailand
Die Rechtskoalition des Ministerpräsidenten steckt in ihrer Hochburg eine herbe Niederlage ein. Sollte die Stichwahl verloren gehen, könnte das die Regierung in Rom gefährden.
ROM taz | Mit einer schallenden Ohrfeige für Ministerpräsident Silvio Berlusconi endete der erste Durchgang der landesweiten Kommunalwahlen in Italien, die vor allem in Mailand einen Einbruch der Berlusconi-Koalition brachten. Insgesamt waren knapp 13 Millionen Bürger am Sonntag und Montag aufgerufen, in über 1000 Kommunen Bürgermeister und Gemeinderäte sowie in elf Provinzen die Präsidenten und Provinzversammlungen zu wählen.
Damit war der Urnengang der erste relevante Stimmungstest im Land, nachdem 2010 mit "Ruby-Gate" das Ermittlungsverfahren gegen Berlusconi wegen Prostitution einer Minderjährigen und Nötigung im Amt in Gang gekommen und im April 2011 in Mailand der Prozess gegen ihn eröffnet worden war.
Berlusconi hatte das Votum zum "Referendum" über die eigene Person und die Wahl in Mailand zu einem "Test von nationaler Bedeutung" erklärt. Denn Mailand, zweitgrößte Stadt Italiens, ist die Hochburg der italienischen Rechten par excellence - und Berlusconi ist Mailänder.
Eben dort straften die Wähler ihn - der selbst auch als Kandidat für den Gemeinderat angetreten war- ab. Die bisherige Bürgermeisterin von der Rechten, Letizia Moratti, erhielt nur 41,6 Prozent, während der Kandidat der Linken, Giuliano Pisapia, auf 48 Prozent kam. Pisapia, der schon für die Kommunisten im Parlament gesessen hatte, war im Vorfeld auch in der eigenen Koalition umstritten gewesen. Angeblich "zu links" für Mailand, schaffte er dann aber ein sensationelles Ergebnis.
Mailand "mit Moscheen vollstellen"
Nichts hatte es der Rechten genutzt, dass Moratti ihn in der Schlussphase des Wahlkampfs als "Terroristenfreund" geschmäht hatte, nichts auch, dass Berlusconi ihm vorwarf, er wolle Mailand "mit Moscheen vollstellen". Selbst Berlusconis Anwurf an die Politiker der Linken, "sie waschen sich selten", beeindruckte die Wähler nicht. Moratti muß jetzt, als bloß Zweitplatzierte, in die Stichwahl. Diese findet in zwei Wochen statt.
Hoffnungen der Rechten dagegen, ihrerseits die Linke in Bologna oder Turin in die Stichwahl zu zwingen, erfüllten sich nicht. Die beiden Linkskandidaten gewannen dort glatt. Offen ist dagegen Neapel. Dort erreichte der rechte Frontmann knapp 40 Prozent, während zwei konkurrierende Kandidaten der Linken auf 27 bzw. knapp 20 Prozent kamen.
Auch in Neapel verfängt Berlusconis Propaganda nicht mehr. Von seinem "Wunder", die Stadt 2008 binnen weniger Wochen vom Müll befreit zu haben, ist angesichts der sich erneut türmenden stinkenden Abfallberge keine Rede mehr. Doch Berlusconi fürchtet vor allem den zweiten Durchgang in Mailand: Eine Niederlage dort würde auch das Überleben seiner Regierung ungewiss machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Der Fall von Assad in Syrien
Eine Blamage für Putin