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Kommunalwahl in RusslandPutins Jünger räumen ab

Die kremltreue Partei "Vereinigtes Russland" kommt in Moskau auf 66 Prozent der Stimmen. Die Opposition beklagt Behinderungen und kündigt eine Klage vor der Wahlkommission an.

Wladimir Putins Partei "Einiges Russland" errang angeblich über 60 Prozent. Bild: ap

MOSKAU taz | Moskau ist eine Stadt der Superlative. Auch die jüngsten Wahlen zum Stadtparlament passen in diese Tradition. Mit mehr als 66 Prozent zieht die Kreml-Partei "Vereinigtes Russland" (VR) in die Stadtvertretung ein. Von 35 Mandaten gehen 32 an die VR. Weit abgeschlagen folgen die Kommunisten, die mit rund 13 Prozent der Stimmen die übrigen drei Sitze erhalten. Alle anderen Parteien scheiterten an der Siebenprozenthürde.

Jetzt ist die VR, die sogenannte "Partei der Macht", fast unter sich. Der Urnengang in Moskau ist mehr als eine bloße Regionalwahl. Mit 24 Milliarden Euro verfügt die Stadt über das größte Budget des Landes. Hier gibt es etwas zu verteilen. Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission lag die Beteiligung wie bei den Wahlen 2005 bei 35 Prozent.

Zweifel daran äußerte Liberaldemokrat Wladimir Schirinowski, der davon ausging, dass mindestens 80 Prozent der Wahlberechtigten zu Hause geblieben seien. Er warf den Verantwortlichen auch massiven Wahlbetrug vor. Ähnliche Bedenken äußerten auch die Vertreter der anderen Parteien. Wahlbeobachter von unabhängigen Organisationen und aus den Reihen der Parteien meldeten unzählige Unregelmäßigkeiten am Wahltag. Viele Wähler sollen in mehreren Wahllokalen abgestimmt haben. Mehrfach wurde beobachtet, wie stapelweise Stimmzettel in die Urnen gestopft wurden, das Aufsichtspersonal trotz Aufforderung jedoch nichts unternahm.

Auch Busse des Verteidigungsministeriums wurden gesichtet, die Wähler von einem Büro zum nächsten kutschierten. Allein die demokratische Partei Jabloko stellte 500 Beobachter für die Wahllokale ab. In der Innenstadt wurden sie Zeugen, wie 82 Lehrer und Schulangestellte gezwungen wurden, an ihrer Schule zu wählen, obwohl sie woanders registriert waren.

Bereits im Vorfeld waren die oppositionelle Bewegung "Solidarität" und demokratische Kandidaten, die für ein Direktmandat antreten wollten, unter fadenscheinigen Begründungen der Wahlkommission von einer Teilnahme ausgeschlossen worden. Dabei hatte Präsident Dmitri Medwedjew den Bürgermeister und Spitzenkandidaten der VR Juri Luschkow aufgefordert, auch oppositionellen Kandidaten eine Chance einzuräumen. Offensichtlich hört niemand auf den Kremlchef. Vertreter der Opposition kündigten für Montagabend eine Protestveranstaltung in Moskau an.

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8 Kommentare

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  • T
    Timm

    Lasst uns lieber das Gemeinsame suchen:

    Das Wahlergebnis liest sich wie die die in Bayern 50 Jahre lang..

  • G
    gregor

    @Dirk Gober

     

    Schirinowski ist kein Faschistenführer. Er ist ein Politclown, oder ein heiliger Idiot. Er ist ein Auffangbecken für das Irrationale und mittlerweile eine solide Figur. Dass er zitiert wird, muss nicht unbedingt schlimm sein. Die TAZ hat sich in ihrer Russland-Sicht selbst in die irrationale Ecke gebracht und da muss sie mit Schirinowski leben.

  • PB
    Peter Bitterli

    Das gerne und oft von Russland-bashern zitierte unabhängige Levada-Zentrum hat bei Vorwahl-Umfragen ziemlich genau diese Zahlen eruiert. Die von den hiesigen Medien gehätschelte "liberale" Opposition hat schlicht keine Ideen und Köpfe und ist lächerlich zerstritten. So what, Herr Donath?

  • B
    Benz

    Klar, wenn Putin die Wahlen gewinnt waren sie natürlich gefälscht. Als Saakaschwili in Georgien mit sagenhaften 97 Prozent zum Präsi gewählt wurde, schrieb seltsamerweise keine deutsche Zeitung was von Wahlfälschung...

     

     

    @Clerkadam

    Die sogenannten europäischen Werte (Werte- wie das nur schon tönt, als ob Europa eine Religionsgemeinschaft und nicht ein Kontinent wäre) sind nicht mehr wert als 'amerikanische', 'afrikanische' oder 'asiatische' Werte. Tun wir doch nicht so, als ob es nur in Europa Kultur gäbe.

  • G
    gregor

    Die Frage ist verständlich. Nach der Lektüre von solchen Beiträgen über Russland, schaltet sich nun mal die Denkart über die rassischen Eigenschaften der Ostvölker. Die Frage selbst kann man nur mit - Ja - beantworten. Putin hätte sich nicht getraut den Lissaboner Vertrag zu unterschreiben, ohne nach dem Willen des Volkes in einem Referendum zu fragen. Insofern undeutsch und uneuropäisch.

  • DG
    Dirk Gober

    Sehr schön! Jetzt wird sogar der russische Faschistenführer Schirinowski als Kronzeuge gegen den Kreml zitiert.

    taz, ist es Dummheit, Unwissen, Bösartigkeit, Inkopmepetnz oder nur die leichte Wiederauflage eines gewissen Paktes?

  • G
    Geschichtelehrer

    Nix für ungut, Nachbar im Nordwesten, aber so lange ist es auch nicht her, daß in Deutschen Landen, Diktatoren herrschten.

    Ich glaub nicht, daß irgendwer Urteile über die Seelenbefindlichkeit von anderen fällen darf. Schon gar nicht wenn man den einen oder anderen balken im Auge stecken hat. (Volksbefragungen über Verträge, Agrarsubventionen, die unzählige Menschen anderswo in Hungersnöte treiben, von den nicht gerade freundlichen Methoden der Exekutivorgane gegenüber dunklen Hauttypen.)

     

    überlegen Sie sich bitte eine qualifizierte Meinung und kommen wieder vorbei

  • C
    clerkadam

    Ist die ostslawische Seele tatsächlich so uneuropäisch?

    Was halten die Menschen dort von europäischen Werten, ist ihnen das wirklich so fremd, brauchen sie tatsächlich einen starken Führer und vereinfachte Machtstrukturen?

    Fühlen sich die Russen, Weißrussen und die Ukrainer überhaupt zu Europa zugehörig? Wer kennt sich da aus, wer kann mir darauf eine Antwort geben?

    Danke!