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Kommunalwahl in NRWGrüner Sieger unter Schwarzen

Im konservativen Münsterland gewinnt ein Grüner schon zum dritten Mal die Bürgermeisterwahl. Da sieht die CDU im kleinen Städtchen Rhede ziemlich alt aus.

"Mit Herz und Verstand" – dieser Spruch funktioniert für Lothar Mittag. Bild: screenshot lothar-mittag.de

BOCHUM taz | "Ein Phänomen" ist Lothar Mittag selbst für Christdemokraten: Mit 65,4 Prozent ist der Grüne bereits zum dritten Mal zum Bürgermeister gewählt worden - und das in Rhede, einem nicht einmal 20.000 Einwohner zählenden Städtchen im konservativen Münsterland.

Der 55-Jährige ist damit der einzige grüne Bürgermeister Nordrhein-Westfalens. Warum Mittag so erfolgreich ist? "Unheimlich gut vor Ort verankert, unheimlich beliebt - so weit wir das wissen", sei der Vater von drei erwachsenen Kindern, heißt es selbst aus der Düsseldorfer Parteizentrale der NRW-Grünen etwas ratlos.

"Ich arbeite einfach mehr als ein normaler Schwarzer", sagt Mittag selbst - und das könne er beurteilen, schließlich gebe es "genug CDU-Bürgermeister" in den Städtchen und Dörfern des Münsterlands zwischen der niederländischen Grenze und Paderborn: "Da reicht es doch oft, einfach nur eine schwarze Tonne aufzustellen".

Wichtig sei vor allem persönliche Präsenz, glaubt der Grüne. "Die Leute wollen einen Bürgermeister zum Anpacken, jemand, der auch auch mal Zeit für einen Schnack auf der Straße hat", sagt Mittag, der sich auf der Kirmes ebenso gern sehen lässt wie auf dem Schützenfest.

Unterstützt wurde der Schnurrbartträger auch von der SPD - schon bei der Kommunalwahl 2004 verzichteten die in Rhede auf Platz drei abgerutschten Sozialdemokraten auf die Aufstellung eines eigenen Kandidaten. In diesem Jahr war Mittag dann beinahe konkurrenzlos: Selbst der CDU-Ortsverband zögerte die Aufstellung einer Gegenkandidatin lange heraus und nominierte schließlich die 50-jährige Finanzbeamtin Irmgard Kerkhoff.

Die setzte auf einen aggressiven Wahlkampf: Die stellvertretende CDU-Ortsvorsitzende forderte den Bau einer Umgehungsstraße mitten durch das stadtnahe Erholungsgebiet Prinzenbusch, machte Stimmung gegen einen von Mittag unterstützten Bau eines neuen Kulturtreffs."Wir brauchen keine zentrale Kommunikationsstätte", titelte etwa das lokale Parteiblatt der CDU, das auch noch Rheder Tutemann heißt.

Die Quittung bekam Kerkoff dann am Wahlabend: Zwar stellt ihr Ortsverein, aus dem auch der amtierende Generalsekretär der Landes-CDU, Hendrik Wüst, stammt, mit rund 40 Prozent im Stadtrat die stärkste Fraktion. Kerkhoff selbst landete mit 34 Prozent weit abgeschlagen hinter Mittag. "Wegen der vielen guten Gespräche" sei sie aber "Siegerin der Herzen", glaubt sie.

Zu viel Provinzialität ziehe selbst auf dem Land immer weniger, analysiert dagegen der Politikwissenschaftler Jan Treibel von der Universität Duisburg-Essen. "Das Münsterland wird immer mehr zum Rückzugsraum für Menschen aus dem Ruhrgebiet", sagt der Wahlforscher - und die seien eben offen für die Wahl einer "urbanen Partei" wie die Grünen, die in Rhede auch bei den Stadtratswahlen mit über 24 Prozent ihr landesweit bestes Ergebnis einfuhren. Die Parteizugehörigkeit sei bei den "extrem personalisierten Bürgermeisterwahlen" zweitrangig, sagt Treibel.

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4 Kommentare

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  • I
    Inga

    Herr Mittag ist aber nicht wegen seines Schurrbartes zum Bürgermeister gewählt geworden, sondern wegen seiner politischen Inhalte. Das am meisten diskutierte Sachthema in Rhede nennt der Artikel, nämlich die Forderung der CDU, eine Straße durch den Rheder Prinzenbusch, dem wichtigsten Naherholungsgebiet der Stadt, zu bauen. Das wäre ungefähr so, als wollte man in Düsseldorf eine Straße durch den Hofgarten oder in München eine Autobahn durch den englischen Garten bauen. Daher verwundert es nicht, dass die CDU Gegenwind aus allen politischen Lagern in Rhede erhält, auch aus dem eigenen.

  • A
    Axel

    Na, da wirft die taz aber die Grüne-Propaganda-Maschine an und läßt sie auf Hochtouren laufen, gespickt mit "grünen Siegern", "grünen Landschaften" etc. - gleichzeitig nichts zu politischen Inhalten, aber dafür um so mehr Menschelndes und Nebensächliches wie "Schnurbartträger", "zum Anfassen".

    Kritischer Journalismus läßt sich schwerlich mit parteipolitischer Propaganda vereinbaren...

  • I
    Inga

    Herr Mittag ist aber nicht wegen seines Schurrbartes zum Bürgermeister gewählt geworden, sondern wegen seiner politischen Inhalte. Das am meisten diskutierte Sachthema in Rhede nennt der Artikel, nämlich die Forderung der CDU, eine Straße durch den Rheder Prinzenbusch, dem wichtigsten Naherholungsgebiet der Stadt, zu bauen. Das wäre ungefähr so, als wollte man in Düsseldorf eine Straße durch den Hofgarten oder in München eine Autobahn durch den englischen Garten bauen. Daher verwundert es nicht, dass die CDU Gegenwind aus allen politischen Lagern in Rhede erhält, auch aus dem eigenen.

  • A
    Axel

    Na, da wirft die taz aber die Grüne-Propaganda-Maschine an und läßt sie auf Hochtouren laufen, gespickt mit "grünen Siegern", "grünen Landschaften" etc. - gleichzeitig nichts zu politischen Inhalten, aber dafür um so mehr Menschelndes und Nebensächliches wie "Schnurbartträger", "zum Anfassen".

    Kritischer Journalismus läßt sich schwerlich mit parteipolitischer Propaganda vereinbaren...