Kommmentar: Ein katholischer Scheintod
■ Die "Initiative Kirche von unten" scheint am Ende
Kein Interesse, kein Geld, keine Zukunft: Die Bewegung der katholischen Basisgemeinden, die „Initiative Kirche von unten“, scheint am Ende. Noch nie seit 1980 zogen ihre Veranstaltungen auf den Katholikentagen so wenig Interessierte an wie jetzt in Mainz. Einerseits sind die Fragen nach gerechten Verhältnissen im In- und Ausland offenbar zu unattraktiv für die breite Masse geworden. Andererseits scheint radikale innerkirchliche Opposition angesichts der Reaktionen der Amtskirche auf die ReformerInnen nicht mehr nötig zu sein.
Das ist ein Trugschluß. Schließlich sind auch die Grünen nicht mit dem Katalysator-Auto überflüssig geworden. Häufig haben Reformgruppen das Problem, daß die kritisierte Institution das Reformvorhaben absorbiert und sie sich selbst tendenziell überflüssig machen. Auch die Basis-ChristInnen haben eine verknöcherte Kirche so lange mit Gegenpositionen genervt, bis diese sich in Teilen reformierte. Daß die katholische Kirche von heute eine der schärfsten Kritikerinnen der Bonner Sozial-, Umwelt- und Asylpolitik ist, daß selbst große Teile des bürgerlichen Kirchenmilieus heute gegen die Oberhirten aufmucken, ist ein Verdienst der Kirche von unten. Die Basisgemeinden waren und sind ein letztes Bindeglied zwischen dem linksalternativen Lager und der Kirche, ohne daß die Annäherung der Katholiken an SPD und Grüne schwieriger gewesen wäre. Aber die Menschen sind immer weniger zum Engagement bereit. Diesen Trend, der an den Großinstitutionen nagt, spüren auch die Basis-ChristInnen.
Über das Schicksal der Basiskirche entscheidet jetzt paradoxerweise auch die Amtskirche. Geschickt versucht sie, den Reformdrang ihrer Schäfchen in einer bürgerlichen Schwester, der „Kirchenvolksbewegung“, zu integrieren. Die ReformerInnen müssen nun sehen, ob und wo sie sich auseinanderdividieren lassen. Notwendig bleibt in den Augen vieler KatholikInnen die radikale innerkirchliche Opposition allemal, doch nun gibt es einen Vertrauensvorschuß für den Dialog zwischen oben und unten. Wenn dieser Dialog über Reformen und über eine deutlichere Option für die Armen und Ausgegrenzten scheitert, ist die Kirche von unten bald wieder aktuell. In diesem Fall könnte die Amtskirche eine scheintote Basisbewegung ungewollt wieder zum Leben erwecken. Bernhard Pötter
Berichte Seite 6
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