Kommentatr zum Vatileaks Skandal: Vatikan entsorgt Skandal
Der Vatileaks-Skandal soll nur eine kleine Geschichte gewesen sein. Nach dem Prozess drängt sich aber ein anderer Eindruck auf.
D ie Wege des Herrn sind unergründlich – das zeigt jetzt auch wieder das von einem Vatikan-Gericht gesprochene Urteil gegen den früheren Kammerdiener des Papstes. Ein großer Skandal war es, der vor erst gut vier Monaten die römische Kurie erschütterte: Die einst gern mit dem Kreml in Sowjetzeiten verglichene Institution, aus der nie wirklich Relevantes nach außen drang, präsentierte sich auf einmal löchrig wie ein Schweizer Käse.
Die Rivalitäten, ja Feindschaften zwischen verschiedenen Seilschaften von Prälaten wurden plötzlich auf dem Marktplatz gehandelt: Viel wurde spekuliert, welcher Kampf vor allem um die ökonomische Macht des Vatikans im Gange war, wer da wem mit Enthüllungen zu schaden versuchte: die Partei des Vorsitzenden der italienischen Bischofskonferenz, Angelo Bagnasco, zum Beispiel dem Lager des Kardinalstaatssekretärs Tarcisio Bertone? Die Opus-Dei-Leute den Salesianern – oder umgekehrt?
Und jetzt sollen wir glauben, dass der große Skandal bloß eine ganz kleine Geschichte war: die Geschichte vom Butler. Von einem Mann, der zu intensiv den Einflüsterungen des Heiligen Geistes gelauscht hatte und sich angeblich ganz allein berufen fühlte, im Saustall Kurie auszumisten, getrieben von glühender Liebe zum Papst.
ist Italien-Korrespondent der taz und lebt in Rom.
Doch nach dem Prozess drängt sich ein anderer Eindruck auf: dass Papst Ratzinger und die Kurie die ganze Geschichte runterkochen und schnell zu den Akten legen wollen. Warum sonst wurde der Angeklagte jedes Mal unterbrochen, wenn er er über sein Kontaktnetz reden wollte? Nicht um Aufklärung ging es in diesem Verfahren, sondern einzig darum, den Skandal möglichst schmerzfrei und mit der gewohnten Diskretion zu beerdigen. Paolo Gabriele hat eine schnelle Begnadigung wirklich verdient: Willig spielte er bei dieser Prozessposse mit.
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