■ Kommentare: Die unterentwickelten Länder brauchen eigene Führungskräfte i Eliten: ein Segen
Nach über zehn Jahren in Europa verstehe ich gut, daß Menschen, die Eliteanstalten durchlaufen haben, entweder gefühllos konform oder zum Speien angeekelt sind von dem, was ihnen dort eingeimpft worden ist. Geichzeitig sollte man aber nicht alles über einen Kamm scheren und Eliten per se verteufeln. Sie mögen in Ländern mit einer emanzipierten Bevölkerung stören, auch mögen sie zutiefst undemokratisch sein. Doch viele Länder werden nur dann aus dem Sumpf kriechen können, wenn sie erst einmal eine eigene Elite aufbauen, die nicht mehr identisch ist mit Stammesfürsten und Clanchefs.
Das Kopfschütteln, das Deutsche zeigen, wenn ihnen erzählt wird, daß die Absolventen der französischen oder italienischen Eliteschulen Politiker aller Couleur zu ihren „Kameraden“ zählen, daß Personen des gleichen Jahrgangs, ja derselben Klasse zu linken oder rechtsextremen Führern werden können, ist nur verständlich, wenn man im eigenen Lande Hochschulen hat, die fast schon per definitionem als links – wie etwa Bremen – oder konservativ – wie etwa München – angesehen werden.
Tatsächlich aber wäre in den meisten Ländern Afrikas eine solche Ausbildung ein Segen. Denn dort geht es noch lange nicht um Fragen wie den Umbau des Sozialstaates, um Wirtschaftsförderungsprogramme oder Investitionen in Zukunftsmärkte. In Afrika geht es zunächst einmal darum, zu verstehen, was die Ausländer, die dort Bodenschätze ausbeuten oder den Leuten Waren aufschwätzen, eigentlich so reden, wenn sie ihnen Fachausdrücke an den Kopf werfen, unverständliche Verträge zur Unterschrift hinhalten und am Ende nur mit Aktenkoffern voller Geldscheine wedeln. Ob nun putschistische Rechtsregierung oder eine rudimentär demokratische Administration: in beiden müßten Leute sitzen, die wenigstens verstehen, was mit ihrem Land geschieht. Doch solange sie nur die Sprache des Geldes verstehen, werden sie sich kaum aus der Umarmung der Kolonialherren befreien können.
Etwas anders als in Afrika ist die Situation in den sogenannten Schwellenländern. Hier gibt es bereits eine gewisse Elite, die weiß, was vorgeht. Nur: Die meisten ihrer Mitglieder wurden nicht in den eigenen Hochschulen ausgebildet, sondern in den großen Instituten des Westens oder des untergegangenen Ostens. Mit ihrem Studium dort haben viele ihre Kultur verloren und können sich ihren Landsleuten nur noch beschänkt mitteilen oder gar deren Sorgen aufnehmen. Und manch einer kommt auch eher als Lobbyist jener Staaten zurück, in denen er studiert hat. Insofern ist es für diese Länder wichtig, eine eigene Elite heranzubilden, sie sozusagen als Gegengewicht zum ausländischen Einfluß aufzubauen. Guana N'Kema
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