Kommentar: Investition in den Aufschwung

Schluss mit Sparen: Wirtschaftsminister Glos zieht die Spendierhosen an - und will so die SPD in die Defensive zwingen.

Von CSU-Wirtschaftsminister Glos hatte man schon länger nichts mehr gehört, doch jetzt präsentiert er plötzlich eine Idee: 70 Milliarden Euro will er bis 2012 als Investitionsprogramm ausschütten. 70 Milliarden! Die erwünschte Aufmerksamkeit ist ihm sicher. Nach einem Motiv muss man nicht lange fahnden: Glos will für ein wenig Ablenkung sorgen und die SPD zurück in die Defensive zwingen. Denn natürlich wird aus den 70 Milliarden nichts - aber das darf dann der zuständige Finanzminister und SPD-Vize Peer Steinbrück den enttäuschten Wählern erklären.

Der Zeitpunkt für die Glos-Offensive hätte nicht besser gewählt werden können: Im leidigen Koalitionsstreit über Pflege und Mindestlohn konnte die Union nicht mehr gewinnen, wirkte sie doch bei diesen Themen entweder konzeptlos oder unsozial. Da bot es sich für die CSU an, einfach eine neue Kontroverse zu eröffnen und sich als die Partei der Spendierhosen zu präsentieren.

Es ist nicht zu bedauern, dass die SPD so zurückhaltend auf ein "Investitionsprogramm" reagiert. Jetzt noch mehr Geld in die Wirtschaft zu pumpen würde allen Konjunkturtheorien widersprechen. Die Wirtschaft boomt sowieso, und Ingenieure werden bereits knapp - da wäre es kontraproduktiv, noch künstlich in den Wirtschaftszyklus einzugreifen. Investitionsprogramme werden benötigt, wenn eine Krise droht. Doch oft waren die deutschen Regierungen dann so dumm, zu sparen und die Flaute noch zusätzlich zu verstärken. Hoffentlich also erinnert sich Glos an die Idee eines Investitionsprogramms, falls er noch Wirtschaftsminister sein sollte, wenn es im nächsten Abschwung benötigt wird.

Allerdings müsste Glos dann nachsitzen und ein echtes Konjukturprogramm entwerfen. Denn der Begriff "Investitionsprogramm" ist für seinen jetzigen Vorschlag ein wenig irreführend. Genau betrachtet, versteht Glos darunter ein Sammelsurium von Maßnahmen, die mit Investitionen meist rein gar nichts zu tun haben - wie etwa Steuersenkungen für jedermann. Es war eben ein PR-Gag.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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