Kommentar: Wie Mücken und Elefanten
In ihrem jetzigen Zustand sind die WTO-Runde in Potsdam keinen entscheidenden Ergebnisse zu erwarten. Da hilft nur eins: weiterverhandeln.
S eit 2001 läuft in der Welthandelsorganisation WTO die "Entwicklungsrunde". Seit 2003 sagen die Entwicklungsländer Nein zum Angebot der Industrieländer, dem armen Süden etwas entgegenzukommen, von ihm aber eine breite Marktöffnung zu fordern. Dabei bleibt es auch nach dem Treffen der G 4 aus EU, USA, Brasilien und Indien.
Wenigstens hat der Süden mit Indien und Brasilien starke Wortführer gefunden. Trotzdem: dass jetzt in Potsdam ein globales Abkommen von nur vier Handelsmächten ausgehandelt werden sollte, ist ein Affront gegen die Mehrheit der WTO-Mitglieder, die aus armen und ärmsten Ländern besteht. Ein Großteil der Menschen in diesen Ländern sind Kleinbauern, die die größten Verlierer des aktuellen, ungerechten Handelssystems sind. Der Billigkonkurrenz durch die hoch subventionierten Agrarprodukte aus EU und USA können sie nicht standhalten. Wenn diese sich endlich zum Abbau der Subventionen bereit erklärten, wären die Verhandlungen im Nu gerettet. Doch das trauen sich beide mit Blick auf ihre Agrarlobbys nicht. Dabei müssten sie durchaus ein Interesse daran haben, die Lebensgrundlagen so vieler Menschen in den Entwicklungsländern zu verbessern. Wie sonst wollen sie verhindern, dass aus Not immer mehr Menschen in die Industriestaaten kommen?
Völlig zu Recht wies WTO-Chef Lamy darauf hin, dass die Verhandlungen ein Unterfangen sämtlicher 150 WTO-Mitgliedstaaten seien und die G 4 dazu beitragen sollten. Schon jetzt ist absehbar, was die Alternative zu einer multilateralen Lösung ist: bilaterale Handelsabkommen zwischen Industrie- und Entwicklungsländern, bei denen Letztere so viele Mitspracherechte haben wie bei einem Vertrag zwischen Mücke und Elefant. Schön wäre es, wenn sich die Entwicklungsländer von den Märkten des Nordens unabhängiger und damit weniger erpressbar machen könnten - doch absehbar ist das nicht. Einstweilen hilft nur: weiterverhandeln. Auch wenn das wohl noch sehr lange dauern wird, mindestens so lange, bis in den USA eine neue Regierung mit neuer Verhandlungsvollmacht im Amt ist.
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