Kommentar: Der Bahnhofsmissionar
Hartmut Mehdorn, Chef der Deutschen Bahn, wird bis 2011 auf seinem Posten bleiben - obwohl er sich bei Jedermann unbeliebt gemacht hat. Warum stoppt den Mann niemand?
E r beschimpft regelmäßig Politiker und Kunden. Er findet Fliegen auf langen Strecken besser als Zugfahren. Er hat 15.000 Kilometer Schiene stillgelegt. Er ist jedermanns Hassobjekt. Und trotzdem bleibt Hartmut Mehdorn, seit 1999 Chef der Deutschen Bahn AG, bis 2011 auf seinem Posten. Das hat gestern der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn beschlossen.
Warum stoppt niemand diesen Mann? Die Antwort ist einfach: weil er seinen Job gut macht. Sein Arbeitgeber hat ihm nämlich ein Ziel vorgegeben, das er konsequent verfolgt: die Vollendung der Bahnreform. Und die soll ganz offiziell "durch Einführung von Marktprinzipien und unternehmerischer Eigenständigkeit der Bahn diese von Weisungen und Vorgaben der Politik unabhängig () machen und damit eine stärkere Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Marktes und der Kunden () ermöglichen".
Bedeutet: Kümmere dich nicht mehr darum, ob ein einflussreicher Bürgermeister seinen Ort am Schienennetz haben will oder nicht. Mach den Laden attraktiv für die Finanzmärkte, damit private Investoren statt Steuerzahler die Unternehmenskasse füllen. Guck, wie sich die Kunden wirklich verhalten. Und wenn sie statt acht Stunden im Zug lieber eine Stunde im Flieger sitzen, reagiere darauf - im Zweifel auch durch den Kauf eines Flughafens. Sorge für Profit, nicht nur für Umsatz.
Und Mehdorn erfüllt die Vorgaben der Bundesregierung. Dabei ist er weder sensibel noch umgänglich und nutzt alle Tricks, die ihm möglich sind. Aber am Ende zählen in seiner Welt die Zahlen: Die Bahn macht wieder Gewinn. Dass dies nur durch den Kauf profitabler Speditionen möglich wurde, kann dem Mann nicht anfechten. Hat ihm ja niemand verboten.
Man kann Mehdorn eine Menge vorwerfen. Aber nicht, dass er seinen Auftrag erfüllt. Man darf allerdings an dem Auftrag zweifeln: Ist es sinnvoll, dass eine lange Jahre aus Steuermitteln privatisierte Bahn dann verkauft wird, wenn sie endlich schwarze Zahlen schreibt? Hat die Privatisierung der Energie- oder Wasserversorgung bislang dem Kunden genützt oder eher geschadet? Ist der Börsengang der Bahn ein Beschluss, hinter den man nicht mehr zurück kann?
Nein, ist er nicht. Das entscheidende Gesetz ist noch nicht fertig, es war noch nicht im Bundestag. Dort sind einige Abgeordnete mittlerweile in die Fundamentalopposition zum Bahn-Börsengang gegangen. Auch sie fordern Mehdorns Ablösung. Das ist konsequent. Wer den Bahnchef nicht mehr haben will, muss auch die Privatisierung der Deutschen Bahn ablehnen. Denn sie allein ist Mehdorns Mission.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!