Kommentar: Die Chancenarmen fördern
Die Bundesagentur für Arbeit und der Staat arbeiten aneinander vorbei. Zum Leidwesen derjenigen, um die es gehen sollte: der Arbeitslosen.
E s ist schon schwer zu verstehen. Da suchen nach wie vor Millionen von Erwerbslosen einen Job, und gleichzeitig wächst der Überschuss im Haushalt der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg weiter, so als habe diese Behörde mit dem Elend der Welt gar nichts mehr zu tun, sondern sei nur noch eine Agentur für Edelarbeitslose, die schon nach kurzer Zeit wieder eine Stelle finden.
Barbara Dribbusch beobachtet für das Inlandsressort die Sozialpolitik. Sie interessieren die Machtverhältnisse an den Schnittstellen von Wirtschaft und Gesellschaft.
Es stimmt, die guten Zahlen der Bundesarbeitsagentur sind dem Aufschwung auf dem Jobmarkt geschuldet, denn erstens fallen weniger Leute in Erwerbslosigkeit und zweitens steigen die Beitragseinnahmen, weil mehr Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Das ist toll. Nur gibt es in Deutschland inzwischen eben auch zwei Regelkreise, in denen Erwerbslose stecken. Da ist erstens die Bundesagentur für Arbeit, die nur noch für die höchstens ein Jahr Joblosen zuständig ist, und zweitens der Staat, der über die Jobcenter die langzeitarbeitslosen Empfänger von Arbeitslosengeld II betreut. Auch die Zahl dieser Hartz-IV-Empfänger geht zwar zurück, aber in prozentual sehr bescheidenem Ausmaß.
Das Problem ist, dass diese beiden Regelkreise für die Arbeitslosen kaum noch ineinandergreifen. So sollen die Überschüsse der Bundesarbeitsagentur unter anderem zur Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung verwendet werden - das aber bedeutet, die guten Zahlen entlasten Erwerbstätige und Unternehmer. Programme für Hartz-IV-Empfänger hingegen werden nach wie vor aus dem Bundeshaushalt des Staates, also aus Steuergeldern, bezahlt.
Es ist systemtechnisch wohl nicht möglich, Versicherungsbeiträge der Bundesarbeitsagentur mal eben für die Langzeiterwerbslosen auf Hartz IV zu verwenden. Aber die Frage stellt sich, warum denn Unternehmen weiter steuerlich entlastet werden sollen, wenn doch schon die Lohnnebenkosten sinken. Wenn die Zahlen aus dem Aufschwung so gut sind - dann ist vielleicht auch wieder politischer Raum dafür, über die steuerliche Finanzierung breiter Beschäftigungsprogramme zu reden. Für den zweiten Regelkreis.
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