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KommentarMehdorn koppelt Lokführer ab

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Kein Extratarif für das fahrende Personal: Die Lokführer streiken weiter - und spielen damit mit der Sympathie der Fahrgäste. Doch sie tun Recht.

A b heute werden Bahnkunden wieder zuverlässig Fahrkarten kaufen können. Aber sie können nicht wissen, ob der gebuchte Zug sich dann auch in Bewegung setzt. Denn wie die Mehrheit der Bahn-Beschäftigten haben auch die Ticketverkäufer ihren Streik beendet, während sich die Lokomotivführer weiter im Ausstand befinden.

Für den Kunden ändert sich durch die Tarifeinigung also erst einmal wenig bis gar nichts. Doch das fahrende Personal, dessen Streik angesichts seiner mehr als dürftigen Löhne vom Publikum bisher mehrheitlich mit Sympathie begleitet worden ist, dürfte in Erklärungsnöte kommen. Denn der gestern erzielte Tarifabschluss hört sich nicht schlecht an: 4,5 Prozent mehr Lohn - das übersteigt deutlich die Inflationsrate und beteiligt die Eisenbahner an den hohen Gewinnen des Unternehmens. Die Kunden werden nachrechnen und feststellen, dass sie bei ihrer letzten Gehaltserhöhung auch nicht mehr erhalten haben. Und entsprechend sauer reagieren, wenn der Zug nicht fährt.

Bahnchef Mehdorn belohnt mit diesem Abschluss auch seine traditionellen Gewerkschaften für ihr Wohlverhalten. Sie haben ihn bei der Bahnreform stets unterstützt. Sie lehnen einen Extratarif für das fahrende Personal ab. Sie erhalten das Zuckerbrot.

Zugleich setzt Mehdorn mit seiner wiederholten Weigerung, mit den Lokführern überhaupt einen eigenen Vertrag zu schließen, auf Konfrontation. So droht ein Konflikt ums Prinzip.

Doch auch wenn sich öffentliche Meinung, Arbeitgeber und Konkurrenzgewerkschaften einig sein mögen: Die Lokführer haben recht. Unterschiedliche Arbeitsbedingungen, Verantwortung und Flexibilität verdienen unterschiedliche Bezahlung. Wer Fahrkarten verkauft, soll selbstverständlich anständig bezahlt werden. Ein nur geringfügig höherer Lohn für Lokführer aber wäre unanständig. Mit Spaltung der Arbeitnehmerschaft hat das rein gar nichts zu tun. Es wäre Aufgabe der großen Gewerkschaftsverbände, bei sehr unterschiedlichen Tätigkeiten auch deutlich entsprechend unterschiedliche Lohnforderungen zu stellen. Tun sie es nicht, dürfen sie sich nicht darüber beschweren, wenn Konkurrenz das Tarifgeschäft belebt.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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1 Kommentar

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  • AF
    Anton Flügge

    Sie haben komplett recht! Es ist bedenklich das sich die Löhne in den letzten Jahren kaum ausseinander entwickelt haben, immernoch bekommt eine Putzfrau fast soviel Geld wie ein leitender Angestellter, dabei muss dieser doch viel mehr essen, braucht eine viel grössere Wohnung und muss auch noch seine Familie ernähren. Der eine braucht also auch ein höheres Einkommen, als die Andere.