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KommentarArmutszeugnis für den Westen

Kommentar von Barbara Oertel

Die USA und Europa hätten sich schon viel früher für die Belange des in Libyen inhaftieren medizinischen Personals einsetzten müssen.

A uch wenn es absurd klingt: Die Bestätigung der Todesurteile über fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt durch das Oberste Gericht Libyens gibt berechtigten Anlass zu der Hoffnung, dass das Drama doch noch ein gutes Ende nimmt. Denn dadurch, dass mit dem Richterrat jetzt eine politische Organisation das letzte Wort hat, wird der Fall auch offiziell zu dem, was er von Anfang an war: ein Politikum.

Seit über acht Jahren schmachten die Beschuldigten in Tripolis im Gefängnis - bis vor kurzem hat das außer den Bulgaren kaum jemanden interessiert. Von Anfang an war klar, dass die Vorwürfe an Absurdität nicht zu überbieten waren: Medizinisches Personal - zwischenzeitlich auch als Mossad-Agenten denunziert - soll Kinder aus niedersten Beweggründen mit dem HI-Virus infiziert haben.

Auch die Art der juristischen Verfahren, in denen Geständnisse durch Folter erpresst und Beweise für die Unschuld der Angeklagten einfach ignoriert wurden, spricht rechtsstaatlichen Grundsätzen Hohn. Doch die Schwestern und der Arzt waren die idealen Sündenböcke, die es dem Regime erlaubten, sein Gesicht zu wahren und gleichzeitig indirekt die Geldforderungen an Brüssel in die Höhe zu treiben, das sich für die Bulgarinnen in der Pflicht fühlt.

Diese Strategie gilt auch jetzt noch. So konnte das Oberste Gericht gar nicht anders, als das Urteil zu bestätigen, da jede andere Entscheidung ein Eingeständnis früherer Fehler bedeutet hätte. Auch wird hinter den Kulissen wie auf dem Basar weiter um die Höhe der zu zahlenden Entschädigungen gefeilscht.

Doch nun ist es mit dem Pokerspiel bald vorbei, viel deutet auf einen Kompromiss hin. Das dürfte auch daran liegen, dass das Gaddafi-Regime wieder auf einem Kurs der Annäherung an den Westen ist und ihm daher nicht an neuen Konflikten gelegen sein kann. Gerade weil das - nicht erst seit gestern - so ist, ist es ein Armutszeugnis, dass die USA und Europa so lange gebraucht haben, um sich für die Belange der Inhaftierten einzusetzen. Stärkerer Druck zur rechten Zeit wäre vonnöten gewesen. Er hätte den Betroffenen viel Leid ersparen können.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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