Kommentar: Jetzt folgt der Realitätstest
Die Integrationsgipfel der Bundesregierung sind ein Erfolg. Trotzdem die türkischen Verbände nicht teilgenommen haben.
D ie Integrationsgipfel der Bundesregierung sind ein Erfolg. Auf höchster politischer Ebene wurde erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik nicht nur über, sondern auch mit den Einwanderern gesprochen. Und das nicht nur bei den beiden Showveranstaltungen im Kanzleramt, sondern auch ein Jahr lang kontinuierlich in insgesamt zehn Arbeitsgruppen.
Der Nationale Integrationsplan, den die Kanzlerin gestern vorstellte, erkennt zudem an: Wer erfolgreiche Integration will, kann nicht nur Forderungen an die Migranten stellen. Auch Staat und Gesellschaft müssen bereit sein, in diesen Prozess zu investieren. Der Bund allein hat sich zu 150 Maßnahmen verpflichtet. Dass dies ausgerechnet unter einer CDU-Kanzlerin geschieht, ist eine kleine Sensation. Das gilt, obwohl die Regierung zeitgleich das Zuwanderungsgesetz verschärft hat. Diese zeigt zwar wieder einmal: Zentrale Teile der Ausländerpolitik werden im Bundesinnenministerium gemacht - und dort geht es vor allem um die Abschottung gegen unerwünschte Einwanderer und um Sicherheitspolitik. Diese Perspektive hat die öffentliche Debatte in den vergangenen Jahren fast völlig bestimmt. Hier hat der Integrationsgipfel zur rechten Zeit einen Kontrapunkt gesetzt.
Dennoch ist verständlich, dass die türkischen Verbände nicht an dem Gipfel teilnehmen. Anders als ihnen vorgeworfen wird, haben sie ihre Kritik am Zuwanderungsgesetz frühzeitig formuliert. Sie wurden nur nicht ernst genommen. Nur weil sie ihren Protest dagegen jetzt mit einem Boykott medienwirksam inszenieren, hat ihre Kritik die Öffentlichkeit erreicht. Ab morgen, das haben die Vertreter der türkischen Verbände stets betont, stehen sie wieder für den Dialog bereit.
Damit dieser Früchte trägt, müssen Bund, Länder und Kommunen ihre Versprechen einlösen - mehr sind ihre Selbstverpflichtungen bisher nicht. Auch die große Zahl der Verpflichtungen kommt nur zustande, weil alles aufgelistet wird, was gewünscht ist, geplant wird oder längst läuft, unabhängig von der Tragweite der einzelnen Maßnahme. Doch nur wenn wirklich Angebote gemacht werden, bleibt die Integrationsbereitschaft der Bundesregierung glaubwürdig.
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