Kommentar: Mehr Entwicklung - weniger Bomben
Natürlich darf sich Deutschland nicht von den taliban erpressen lassen. Trotzdem: Es läuft manches falsch in Afghanistan. Auch Deutschland könnte sich mehr um Entwicklungshilfe kümmern.
V orgestern noch fetzten sie sich über den Mindestlohn, gestern dann standen alle Parteien - mit Ausnahme der Linken - Seit an Seit in ihrer Forderung: Wir dürfen uns von den Terroranschlägen in Afghanistan nicht unter Druck setzen lassen. Zu Recht: Es wäre fatal, wenn die Bundesregierung sich ihre Politik von den Taliban diktieren lassen würde.
Katharina Koufen ist Korrespondentin im Parlamentsbüro der taz.
Und trotzdem darf man in Berlin mittelfristig nicht außer Acht lassen, dass die Anschläge in Afghanistan zunehmen - auch auf deutsche Soldaten und jetzt auch Polizisten. Längst schützt die Flagge der Bundesrepublik nicht mehr vor Überfällen, vielerorts verschwimmt die Unterscheidung zwischen "guten" Brunnenbohrern der Bundeswehr und "bösen" Soldaten aus anderen Nato-Staaten.
Das hat mehrere Gründe: Viele Afghanen sind enttäuscht vom schleppenden Wiederaufbau im Land - auch die Deutschen haben sich bei der Polizeiausbildung bisher nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Viel zu gründlich und mit zu wenig Geld und Personal ausgestattet seien die Deutschen die wichtige Aufgabe angegangen, spottet die internationale Gemeinschaft. Zudem verdienen Taliban-Kämpfer etwa dreimal so viel wie beispielsweise afghanische Polizisten. Und die steigende Zahl ziviler Opfer macht ganze Familien, ganze Dörfer zu pauschalen Feinden aller ausländischen Truppen.
Diese Fehlentwicklungen - nicht den gestrigen Anschlag - sollte sich die Bundesregierung zu Herzen nehmen und gegensteuern. Mehr Entwicklungshilfe, mehr Geld für den zivilen Wiederaufbau gehören dazu. Zugleich sollte Deutschland mehr Einfluss auf die Nato-Verbündeten nehmen, um die Strategie im Antiterrorkampf zu ändern: keine Bombardements mehr von Gruppen vermeintlicher Taliban, bei denen vor allem Zivilisten sterben. Verhandlungen mit gemäßigten Stammesfürsten und militanten Oppositionellen. Anders wird es nicht gehen, weil der afghanische Regierungschef Karsai Macht verliert, der Einfluss von Taliban und anderen Militanten aber zunimmt. Nur wenn dieser Kurswechsel gelingt, haben der Einsatz der Bundeswehr und das deutsche Engagement in Afghanistan überhaupt noch eine Chance auf Erfolg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!