Kommentar: Warum der Stoiber-Transrapid kommt
Die Rechnung für die Flughafen-Magnetschwebebahn geht so: Ein Transrapid mal 15 Minuten Ersparnis geteilt durch Exportchancen minus Wurzel aus Stoibers Amtsjahren.
V erkehrspolitik ist grammatikalisch gesprochen ein Hauptwort, zusammengesetzt aus Verkehr und Politik. Weil das so ist, muss sich niemand wundern, dass es bei der Planung von Großprojekten in dieser Branche selten ausschließlich um verkehrliche Notwendigkeiten geht. Erst das politisch Sinnhafte macht aus drögem Verkehr und undurchsichtigen Zeichenblättern herrliche Großbaustellen, lange Tunneldurchfahrten und schlussendlich achtspurige Autobahnen.
Verkehrlich sinnvoll etwa wäre der Bau einer ICE-Schnellbahnverbindung zwischen Erfurt und Nürnberg. Denn dann könnten Menschen und Güter ratzfatz von Berlin nach München reisen und Auto und Lkw hätten das Nachsehen. Unglücklicherweise hat der Bund dafür aber nur so wenig Geld zur Verfügung, dass Optimisten mit der Fertigstellung dieser Baustelle in gut 30 Jahren rechnen. Diese Verzögerung hat politische Gründe, über deren Sinnhaftigkeit wir an dieser Stelle aber kein Wort verlieren wollen.
Umgekehrt steht es mit der Magnetschwebebahn Transrapid. Die soll etwa 2 Milliarden Euro kosten. Dafür fährt der Superzug in zehn Minuten vom Münchner Hauptbahnhof zum Flughafen. Eine Express-S-Bahn käme um die Hälfte billiger. Dieser Zug wäre allerdings fünfzehn Minuten länger unterwegs. Das scheint auf den ersten Blick verkehrlich ein wenig unsinnig zu sein.
Doch Halt! So denken nur politische Ignoranten. In Wahrheit geht die Rechnung nämlich so: Ein Transrapid mal 15 Minuten Ersparnis geteilt durch unglaubliche Exportchancen für die deutsche Industrie minus Wurzel aus Edmund Stoibers Amtsjahren als bayerischer Ministerpräsident im Quadrat zur Korruption in der Münchner Siemens-Zentrale ergibt ein Projekt, dem sich kein verantwortlich denkender Politiker entziehen kann.
In Bayern ist es nun mal so: Es gibt einen Rhein-Main-Donau-Kanal, der nur Verluste produziert. Es fährt ein ICE von München über Ingolstadt nach Nürnberg, obwohl die Strecke über Augsburg Milliarden gespart hätte. Und es wird einen Edmund-Stoiber-Transrapid zum Franz-Josef-Strauß-Flughafen geben, obwohl den keiner braucht außer Edmund Stoiber. Weil es politisch sinnvoll ist. Wetten?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Historiker Traverso über den 7. Oktober
„Ich bin von Deutschland sehr enttäuscht“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Die Wahrheit
Glückliches Jahr