Kommentar: Wegfall der Schröpf-Klausel
BVG-Kunden dürfen sich freuen: Die Lizenz zur Fahrpreiserhöhung gibt es nicht mehr.
In dem neuen Verkehrsvertrag für die Berliner Verkehrsbetriebe stehen tolle, für die Kunden sehr erfreuliche Sachen. Doch entscheidend ist, was nicht drin steht: Der BVG wird nicht mehr Schwarz auf Weiß zugesichert, Jahr für Jahr die Fahrpreise anheben zu dürfen. Bisher war eine dreiprozentige Erhöhung vertraglich garantiert. Der Wegfall der Kundenschröpf-Klausel ist für alle Bus- und Bahnfahrer eine gute Nachricht und weist gleichzeitig dem Senat eine größere Verantwortung zu.
Die Diskussion um höhere Fahrpreise lief in der Stadt bisher nach dem Prinzip "Täglich grüßt das Murmeltier" ab, denn bei der Wahl ihrer Argumente war die BVG wenig fantasievoll. Steigende Energiekosten waren ein viel zitierter Klassiker, oder, etwas allgemeiner, steigende Betriebskosten. Einfallsreichtum war bei den Verhandlungen mit dem Senat nicht nötig, zu guter Letzt konnte sich die BVG ja immer auf ihren Vertrag berufen. In Zukunft wird der Kampf um die Ticketpreise härter. Das Murmeltier BVG muss raus aus seinem Bau und der Stadt seine Rechnung detailliert vorlegen.
Hier steht der Senat in der Pflicht: Mehr noch als bisher trägt er die Verantwortung für Fahrpreise, die in einer armen Stadt wie Berlin angemessen sind. Mehr noch als bisher muss er darauf achten, dass auch die Ärmsten, die sich kein Auto oder Taxi leisten können, mit dem öffentlichen Nahverkehr von A nach B kommen. Mit dem neuen Verkehrsvertrag hat sich der Senat mehr Gestaltungsmacht gegeben, schon sehr bald muss er zeigen, dass er mit ihr umzugehen versteht. BVG-Chef Sturmowski hat sich die nächste Preiserhöhung längst durchgerechnet, er trifft auf die detailversessene Aktenfresserin Junge-Reyer. Nun heißt es: Ring frei - mit faireren Regeln.
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