Kommentar: Zeit für den Massenaufschrei
Die Berliner sollten aufbegehren. Aber nicht gegen die BVG-Beschäftigten, die seit sieben Jahren auf Lohnerhöhungen verzichtet haben.
Der Streik im Nahverkehr geht in die zweite Woche, und ein Ende ist nicht in Sicht. Trotzdem scheint die Mehrheit der Berliner für die Angestellten der BVG Verständnis aufzubringen. Geduldig quälen sie sich mit Fahrrädern und Autos durch den völlig überlasteten Berufsverkehr und nehmen in Kauf, dass die Stadt trotz Sonnenscheinwetter zunehmend in einer Abgaswolke versinkt. Von einem Massenaufschrei ist bisher nichts zu vernehmen. Das ist bedauerlich.
So wie bei den meisten Streiks richtet sich auch der Streik der BVG-Angestellten gegen den Arbeitgeber. Ihr Problem: Ihnen fehlen die Druckmittel.
Der finanzielle Schaden für das landeseigene Verkehrsunternehmen scheint gering zu sein. Finanzsenator Sarrazin, der auch im BVG-Aufsichtsrat sitzt, freut sich sogar. An jedem Tag, an dem gestreikt wird, spart Sarrazin Geld, weil der Zuschuss an die BVG wegfällt. Seine Strategie: Er sitzt den Streik aus. Denn irgendwann sind die Streikkassen von Ver.di leer. Und die Beschäftigten müssen klein beigeben.
Seine Taktik mag aufgehen. Politisch ist das jedoch ein Skandal. Einerseits schreibt sich der rot-rote Senat Klimaschutz und eine sozial verträgliche Verkehrspolitik auf die Fahne. Andererseits duldet er einen Finanzsenator, den jeder weitere Tag, an dem kein Bus fährt, unbeeindruckt lässt und der lediglich süffisant anmerkt, dass der Ausstand eh nur die Fahrgäste trifft.
Die Berliner sollten aufbegehren. Aber nicht gegen die BVG-Beschäftigten, die seit sieben Jahren auf Lohnerhöhungen verzichtet haben. Sondern gegen Sarrazins Ignoranz, die nicht mehr zu ertragen ist.
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