Kommentar: Der Rest des Obrigkeitsstaats
Viele Beamte glauben: Was in den Amtsstuben vor sich geht, geht niemanden etwas an. Doch wer im Auftrag der Bürger tätig wird, muss denen auch Rechenschaft abgeben.
In Berlin sind gerade die letzten Reste des Obrigkeitsstaats zu besichtigen. Noch gibt es einige Beamte, die tatsächlich davon überzeugt sind: Was in den Amtsstuben vor sich geht, das hat die Bürger nicht zu interessieren. Und das zeigt sich nicht nur bei der von der Senatsverwaltung für Verbraucherschutz verschleppten Auskunft, die Greenpeace über gentechnisch veränderte Lebensmittel in Restaurants haben wollte.
Die Parlamente haben in den vergangenen Jahren gleich eine ganze Reihe von Auskunfsrechten für die Bürger eingeführt: Umweltinformationsgesetz, Informationsfreiheitsgesetz, Verbraucherinformationsgesetz. Aber das Problem ist immer wieder, dass die Bürger die Auskünfte, auf die sie ein Recht haben, entweder überhaupt nicht oder nur sehr lückenhaft bekommen. Auch der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit kritisiert: Die Behörden neigen zu stark dazu, den Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen zu hoch zu gewichten. Und wenn es doch eine Antwort gibt, dann werden häufig saftige Gebühren fällig.
Das Amtsgeheimnis passte sehr gut in eine Zeit, in der der Staat von einem König angeführt wurde und dieser sich auf Gott berufen konnte. Wer von oben legitimiert ist, muss sich nach unten nicht rechtfertigen: Es war undenkbar, dass ein Beamter einem Bürger Auskunft zu irgendetwas geben musste. Doch eine Demokratie verlangt einen neuen Umgang mit den Informationen, die eine Behörde angesammelt hat. Es muss endlich im Bewusstsein auch noch des letzten Beamten ankommen: Die Behörden werden inzwischen im Auftrag der Bürger tätig. Und die müssen dann auch auf Anfrage erfahren können, was alles in ihrem Aufrag und auf ihre Kosten geschieht.
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