Kommentar: Protest muss mehr sein als ein Ritual
Die Absicht der Bundeswehr, die ihr Gelöbnis nicht mehr im Bendlerblock abhalten, sondern sich als öffentlichkeits- und bürgernah direkt vor dem Gebäude der Volksvertretung inszenieren wollte, ist gescheitert.
J a, die Aktivisten vom Gelöbnix haben Recht. In den letzten Jahren waren die Kundgebungen klein, weit weg vom Gelöbnis der Bundeswehr vor dem Reichstag, und zu hören waren höchstens die Trillerpfeifen. Und das auch nur, wenn der Wind richtig stand.
Dass die Proteste trotzdem etwas erreicht haben, ist kein Widerspruch. Denn die Absicht der Bundeswehr, die ihr Gelöbnis nicht mehr im Bendlerblock abhalten, sondern sich als öffentlichkeits- und bürgernah direkt vor dem Gebäude der Volksvertretung inszenieren wollte, ist gescheitert. Die Veranstaltung ist eine eigene Welt der Limousinen und Schnittchen, abgeschnitten von der Bevölkerung. Mit Absperrungen, die vom nördlichen Spreeufer bis über die Straße des 17. Juni hinweg reichen, macht sich die Bundeswehr weder unter Berlinern noch unter Touristen Freunde.
Doch ist es deshalb richtig, als Konsequenz auf Proteste zu verzichten? Ist kein Protest besser als ein kleiner Protest? Rechtfertigen Konflikte, Selbstfindung oder eine Neuausrichtung, dass die Bundeswehr ihr Gelöbnis weitgehend ungestört abhalten kann?
Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sich die ablehnende Haltung der Mehrheit der Bevölkerung zum Einsatz in Afghanistan auch in den Teilnehmerzahlen an Anti-Militär-Demos zeigen würde. Wenn die Wehrpflicht abgeschafft und die Bundeswehr nicht mehr versuchen würde, Bürgernähe zu heucheln. Doch bis es soweit ist, sollte der Protest - und das gilt nicht nur für Gelöbnix - jedes Mal wieder einen Impuls haben und nicht nur aus rituellen Gründen stattfinden. Sonst wird er irgendwann genauso gesichtslos wie das Gelöbnis selbst.
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