piwik no script img

KommentarSchädliche Verfassungsschützer

Kommentar von Benno Schirrmeister

Der Fall verrät viel aber übers Frageinteresse der Geheimdienstler und die Qualität ihrer Arbeit: Die Kolortagen sagten wenig übers Gemeindeleben und nichts über den Antragsteller aus.

A ls "Einzelfall" will das niedersächsische Innenministerium die Geschichte des Göttinger Marokkaners betrachtet sehen, dem zwei Jahre lang die Einbürgerung verweigert wurde - wegen eines Verfassungsschutz-Vetos. Der habe ja auch nur "seine Kenntnisse über den Antragsteller" weitergeleitet, heißt es. Das ist falsch.

Schon das Wort Kenntnisse ist hier ja fehl am Platze: Es handelte sich um Kolportagen, die wenig übers Gemeindeleben und nichts über den Antragsteller aussagen, viel aber übers Frageinteresse der Geheimdienstler und die Qualität ihrer Arbeit. Denn dass er Unterstellungen unkritisch übernimmt, bedeutet: Eine effektive Kontrolle, ein Schutz also der Verfassung, findet nicht statt. Und dass er diese Pseudo-Erkenntnisse nutzt, um einen Rechtsanspruch zu torpedieren, ist eben kein Einzelfall. Seit dem Frühjahr ist ja bekannt, dass das Amt unter der Regie von Innenminister Uwe Schünemann (CDU) gegen Einbürgerungswillige interveniert, die ihr Grundrecht auf Meinungsfreiheit anders nutzen, als der Minister. Das gleiche gilt nun auch bei der Religionsfreiheit.

Und das ist gefährlich: Eine Behörde, die dafür sorgt, dass die Einlösung von Rechtsansprüchen zum Privileg scharf-rechter evangelischer Christen wird, idealerweise Mitglieder im Schützenverein, schützt die Verfassung nämlich nicht nur nicht. Sie schadet ihr aktiv.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Reporter und Redakteur
Jahrgang 1972. Seit 2002 bei taz.nord in Bremen als Fachkraft für Agrar, Oper und Abseitiges tätig. Alexander-Rhomberg-Preis 2002.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!