■ Kommentar: Tödliche Illusion
Davon, daß Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) einmal in einer rot-grünen Koalition für einen liberalen, menschenwürdigen Strafvollzug angetreten ist, ist schon lange nichts mehr zu spüren. Doch daß sie nun in der Frage der sterilen Spritzenvergabe an drogenabhängige Gefangene selbst noch von dem CDU-Gesundheitssenator Peter Luther links überholt wird, gibt erneut zu denken. Mit seinem Vorschlag, Gefängnisärzte sollten den drogenabhängigen Gefangenen Spritzen aushändigen dürfen, rührte Luther nicht nur an einem Tabu. Er sprach damit auch offen aus, was manche Gefängnisärzte zum Glück bisweilen schon unter der Hand praktizieren. Denn dies ist nun mal die einzige Möglichkeit, den durch den Nadeltausch bedingten HIV-Seuchenherd einzudämmen.
Aus ethischen Grüden war das Handeln dieser Ärzte schon immer korrekt, inzwischen ist es auch vollkommen legal. Geändert hat sich deshalb überhaupt nichts. Im Gegenteil, der wagemutige Luther wurde vom Senat zurückgepfiffen und auf die Limbachsche Linie eingeschworen. Nachdem das Argument nicht mehr zog, man mache sich mit der Verteilung von sterilen Spritzen strafbar, müssen nun die Vollzugsbediensteten herhalten. Daß schon jetzt fast das ganze Sozialarbeiter-Betreuungspersonal in Tegel eine Freigabe der Spritzen für überfällig hält, wird von Justizsenatorin Limbach klammheimlich verschwiegen. Eine Erklärung für die Entscheidung der Justizverwaltung gibt es nicht – außer: an der tödlichen Illusion vom drogenfreien Knast festzuhalten. Plutonia Plarre
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen