■ Kommentar: Nagel-Probe
Wer wollte etwas dagegen haben, daß Bausenator Nagel nun in die vollen (Schulden) gehen möchte, um den öffentlichen Nahverkehr mit zusätzlichen sieben Milliarden Mark endlich zu einer zukunftstauglichen Verkehrsalternative zu machen? Schließlich klafft zu lange schon die Lücke zwischen dem Wissen, daß die Stadt nur noch mit radikalen Einschnitten beim Individualverkehr zu retten ist, und den tatsächlichen, hasenfüßigen Trippelschritten der Politik. Diese aber können den Verkehrsinfarkt bestenfalls ein wenig verzögern, nicht aber vermeiden helfen. Einer Realität, bei dem vier von fünf Menschen die Innenstadt mit öffentlichen Verkehrsmitteln durchqueren, sind wir trotz vielfacher Absichtserklärung jedenfalls derzeit ebenso fern wie der Vorstellung, daß Herr Lummer bei Pro Asyl mitarbeitet. Mit Rücksicht auf den wählenden Autofahrer zeigen sich CDU und SPD vielmehr oft genug vereint im Zögern. Der Vorschlag des Bausenators kann deswegen nur begrüßt werden– auch wenn diese unerwartete Wortmeldung zuvorderst nur beweist, daß der etatmäßige Verkehrssenator Haase wohl unlängst der Senatsverkleinerung zum Opfer gefallen sein muß. Verkehr geht eben alle an. Oder sollte der Bausenator und einstige Wahlkampfmanager wittern, daß man zwecks eigener Glaubwürdigkeit willen mal etwas mehr auf die Hupe drücken muß? Zu lange hat man sich schließlich beim Thema Verkehr von der CDU hinhalten lassen und der stillen Demontage der Koalitionsvereinbarungen – von einzurichtenden Busspuren über das Straßenbahnkonzept bis zur Parkraumbewirtschaftung – durch Senator Haase zugeschaut. Zu reden gibt es für den Koalitionsausschuß, den die SPD Ende Oktober einberufen hat, jedenfalls genug – wenn dieser nach der Weltreise des Regierenden Bürgermeisters zusammentritt. Solange darf bei Nagels Coming-out als Verkehrsökologe wohl gelten: Wir hören die Signale – allein, es fehlt der Glaube. Gerd Nowakowski
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