■ Kommentar: Gigantomanie
Ein Brandenburger Milchunternehmen wirbt derzeit in der Stadt mit Plakaten, die von ländlicher Gemütlichkeit und knorrigen Bauern künden. So, als ob im Berliner Umland die Zeit einfach nicht vorankommen will. Auch eine Masche, die nur leider herzlich wenig mit der Wirklichkeit zu tun hat – Werbung eben. Denn auf dem flachen Lande, wo der LPG-Bauer einst seine Kartoffeln erntete, rollen heute Autokarawanen zu monströsen Einkaufscentern. Nun haben sich Berlin und Brandenburg geeinigt, den Wildwuchs einzudämmen. Sieben Einkaufsmärkte der Mega-Art sollen künftig Berlin umgeben. Auch wenn das Moratorium dem Druck der Investoren standhielt – es bleiben sieben Einkaufszentren zuviel. Denn der Einzelhandel in Berlin wird leiden und in den Brandenburger Kommunen schwerlich auf die Füße kommen. So stehen die Großmärkte für eine Gesellschaft, in der zwar Lebensfreude durch Auswahl vorgegaukelt, aber letztlich nur Langeweile geboten wird – wie jene Berieselungsmusik, mit der die Kunden animiert werden. Immerhin ist den Brandenburgern mit den Großmärkten der langersehnte Sprung auf „Weltniveau“ gelungen: Dallgow, Eiche und andere Standorte können sich demnächst in jenen Wettbewerb einreihen, der da heißt: Wer hat die schönste Einkaufshalle zwischen Tokio, New York und Potsdam? Severin Weiland
Siehe Bericht auf Seite 23
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