piwik no script img

■ KommentarUnser Bürgermeister und sein Jurassic Park

Dinosaurier sind in. Ohne Frage. Ob sie damit aber auch dazu prädestiniert sind, europäische Metropolen ins 21.Jahrhundert zu führen?

Henning Voscheraus „Essentials“, sein „Wesen“, an dem die Stadt genesen soll, charakterisiert ihn als politischen „Tyrannosaurus rex“. Wer innere Sicherheit mit hartem Durchgreifen, Verwaltungsreform mit hierarchischer Zentralisierung und wirtschaftspolitische Herausforderungen mit Wachstumsrezepten der 50er Jahre bekämpfen will, ist ein sicherheitspolitischer Reaktionär, verwaltungspolitischer Zentralist und wirtschaftspolitischer Neandertaler.

Ähnlich wie CDU-Jurist Wolfgang Schäuble hat SPD-Jurist Henning Voscherau unter dem Druck der Politikkrise der letzten Jahre einen dramatischen Schwenk nach rechts vollzogen. Offenkundig flippen derzeit nicht nur die kleinen Leute aus.

Hilflos, wie denn den gewaltigen Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen sei, tauchte der große Henning Voscherau tief in die Vergangenheit und buchstabiert seither einen Katechismus von starken harten Männern, starken harten Taten und großen harten Investitionen für große harte Industrien. Kurz: Voscherau bastelte sich einen stadtpolitischen Jurassic Park.

Dabei kann man seiner scharfsinnigen Analyse aktueller Probleme in vielen Punkten durchaus folgen. Der reaktionäre Kick kommt - ähnlich wie beim gleichfalls herausragend intelligenten Schäuble - erst bei seinen Lösungsrezepten. So marschiert der schlecht beratene und fachlich überforderte Erste Bürgermeister stur rechts zurück in die Vergangenheit, weit weg von SPD-Grundsatzpositionen und der modernen Diskussion über die Bewältigung von Zukunftsproblemen:

Mit Tunnelbauten löst man keine Verkehrsprobleme, mit Strompreissubventionen keine Stahlkrise, mit Hafenstraßenräumung und 08/15-Sozialwohnungsbau löscht man keine sozialen Brände und mit Bezirksvögten keine Effizienzprobleme der öffentlichen Verwaltung. Daß Voscherau eigentlich auch anders könnte, zeigen seine wegweisenden Ausführungen zur Bekämpfung der Drogenmafia. Auf heimischem juristischen Terrain wirkt seine Intelligenz ausnahmsweise mal fruchtbar statt furchtbar.

Das absurde Spiel um eine rot-grüne Reformregierung sollte Voscherau allerdings schleunigst beenden. Voscheraus Jurassic Park erfordert eine reaktionäre Mehrheitsregierung. Große Koalition und sonst garnix. Wäre Voscherau konsequent, müßte er endlich zurücktreten oder sich von seiner Partei die Blankovollmacht für eine große Koalition mit CDU und Handelskammer besorgen. Wenn schon Dinos, dann bitte in Cinemascope mit Dolby-Sound und nicht im Westentaschenformat mit den Fuzzis von der Statt-Partei! Florian Marten Bericht Seite 30

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen