Kommentar: Angst als Instrument
■ Bildung hilft gegen simple Antworten
Sündenböcke gab es immer und in allen Gesellschaften. Was früher die Juden waren, sind heute in Westeuropa vor allem die Ausländer, insbesondere die, die als solche erkennbar sind. Seit die Lage auf dem Arbeitsmarkt sich verschlechtert, wird mit dem Finger auf Türken oder Marokkaner gezeigt. Rechtsextreme Ansichten gedeihen besonders gut, wenn sie ein Flaggschiff in der Politik haben. In den Niederlanden besteht das im Moment noch kaum – auch wenn die Anhängerschaft der fremdenfeindlichen Centrum-Demokraten wächst – in Frankreich, Deutschland und Österreich hingegen wissen Le Pen, Schönhuber und Haider die Gefühle von Unzufriedenheit sehr wohl zu kanalisieren.
Die etablierten Parteien reagieren auf Ausbrüche von Fremdenhaß panisch oder unzureichend. Wo sie, wie in der Bundesrepublik, in den Siebzigern mit großem Aufwand der RAF den Kampf ansagten, wirken sie zwanzig Jahre später wie gelähmt. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat und Selbstjustiz wird nicht geduldet, hätte von Anfang an laut und deutlich gesagt werden müssen. Durch mehr oder weniger verhülltes Entgegenkommen an die Forderungen der Anstifter glaubt man statt dessen auch das Gefolge von rechts eindämmen zu können. Das ist ebenso kurzsichtig wie aussichtslos.
Die offensichtlichste Antwort auf Fremdenhaß und die Zunahme rechtsextremer Auswüchse sind bisher schärfere Einwanderungsbestimmungen. Das ist zwar ein der Phantasie der Menschen entsprechender Schritt, aber eine zu simple Reaktion auf die Unterstellung, „das Boot sei voll“. In Bildung, Wohnen und Arbeit muß statt dessen ebenso investiert werden wie in die Erziehung zu gegenseitigem Verständnis. Wenn die Regierungen wollen, daß Ausländer Ausländer bleiben, dann müssen sie auch in die ärmeren Länder dieser Erde investieren. Dabei muß klar und deutlich gesagt werden, daß dies kein Zugeständnis an Rechtsextremisten ist, sondern eine Äußerung wirklicher Solidarität mit dem Ziel, Wohlstand ehrlicher zu verteilen. Anne Visser
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