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■ KommentarHarte Metaller

Die Verwaltungszentrale der IG Metall in Berlin galt noch nie als Hort der diskussionsfreudigen Geister. Als 1992 ruchbar wurde, daß ein Sekretär eine Kollegin sexuell belästigt hatte, dauerte es Wochen, bis Konsequenzen gezogen wurden. Von oben wurde damals kräftig gedeckelt, von unten nur zögerlich und ängstlich Kritik geübt. Noch immer gilt bei der IG Metall: Die Einheit geht vor, denn Kritik hilft nur dem Arbeitgeber. Dabei verhält sich die eingeschworene Truppe in der Verwaltungsstelle in diesen Tagen genauso wie ihre Gegner aus der Privatwirtschaft. Notwendige Einsparungen müssen nun herhalten, um sich zuallererst jener politischen Sekretäre zu entledigen, die als Störenfriede im eigenen Haus gelten.

Daß dabei keine politischen Hintergedanken, sondern fachliche oder organisatorische Gründe eine Rolle spielen, mag man bei näherer Betrachtung kaum glauben. Der Stadtteilsekretär, der bereits die Kündigung in der Tasche hat, hatte sich stets für jene kritischen Gewerkschafter eingesetzt, die nicht auf Biegen oder Brechen dem „sozialpartnerschaftlichen Kurs“ der Geschäftsleitungen in den Unternehmen folgen wollten. Weiterhin steht auf der Abschußliste der Spitze nun just jene Frau, die in der Debatte um die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz engagiert für ihre damals betroffene Kollegin Partei ergriffen hatte. Zufälle? Wohl kaum. Das eigentlich Tragische an den Entscheidungen der IG Metall ist ihre Unfähigkeit, über Umstrukturierungen offen und demokratisch zu diskutieren. Statt dessen bedient man sich einer Praxis, die schon in der Vergangenheit viele einfache Mitglieder vergällt hat. Severin Weiland

Siehe Beitrag auf Seite 22

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