■ Kommentar: Überfälliges Zeichen
Wenn die Lage aussichtslos erscheint, wirken positive Veränderungen leicht wie Wunder. Die Einrichtung einer Aids-Pfarrstelle für Hamburg ist so ein Fall. Während im Aids-Bereich bundesweit der Rotstift angesetzt wurde und auch der Hamburger Etat keine müde Mark für die Einrichtung des überfälligen Pflegeprojektes „Leuchtfeuer“ vorsieht, hat die ebenfalls sparsamer gewordene Nordelbische Kirche eine neue Stelle eingerichtet – gegen den Trend.
Auch mit der Bewerberauswahl hat sie ein Signal gesetzt: Sie berief einen bundesweit anerkannten Vertreter der Aids-Bewegung, der den Beruf „Pastor“ für 14 Jahre an den Nagel gehängt hatte. Wahrscheinlich noch nie zuvor ist bei einer Pfarrstellenbesetzung in Deutschland die Frage diskutiert worden, ob der Bewerber eventuell auch heterosexuell sein dürfte – was sich mit der Wahl Rainer Jarchows letztlich erübrigte. Hier erweist sich Hamburg als liberale Spitze einer Landeskirche, in der die Schwulenfrage noch lange nicht geklärt ist.
Trotzdem darf nicht übersehen werden, daß die Kirchen auch in Hamburg Menschen mit HIV und Aids sträflich vernachlässigt hat. Die neue Stelle und das einmütige Bekenntnis zu Rainer Jarchow können nicht darüber hinwegtäuschen, daß es allerorten noch Berührungsängste und Widerstände gegen die „Schmuddelkinder“ gibt, die Hauptbetroffene von HIV und Aids sind: Huren und Fixer, Stricher und Schwule. Auch deshalb fällt die Entscheidung positiv auf.
Kein Wunder, sondern ein überfälliges Zeichen – nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Werner Hinzpeter
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