■ Kommentar: Ein bißchen mehr Spannung für Bonn
Eine Überraschung, die keine mehr ist: Bayern bleibt der CSU treu – Amigos hin oder her. Spätestens seit dem christsozialen Erfolg bei den Europawahlen weiß man: auch heftigste Skandalwellen übersteht die Staatspartei ohne merklichen Vertrauensverlust. Bayerischen Filz quittieren die Bayern mit einem kumpanenhaften Augenzwinkern – und einer neuerlichen absoluten Mehrheit, erstmals für Ministerpräsident Edmund Stoiber. Der konnte immerhin darauf verweisen, daß mit Gerold Tandler, Peter Gauweiler und Max Streibl gleich drei Spitzenspezis über ihre Verwicklungen stürzten. Das reichte nun wirklich, um den Amtsinhaber zu entlohnen – für Kontinuität, oder Bruch. Je nach Belieben.
Kontinuität und ein bißchen Bruch, bei den Sozialdemokraten. Für sie bleibt die Machtteilhabe in Bayern, von der das erste Halbjahr über geträumt werden durfte, weiter jenseits des Möglichen. Doch immerhin liegt die SPD rund fünf Prozent über dem Rekordtief von 1990. Sie hat die Dreißigprozenthürde genommen, die eine marginalisierte SPD von einer im Wartestand scheidet. Das ist das Verdienst von Renate Schmidt, deren fulminanter Wahlkampf von den WählerInnen belohnt wurde. Ihre Kritiken waren, quer zur politischen Präferenz, positiv bis überschwenglich, die Bierzelte voll. Eine sozialdemokratische Frau als Herausforderin des CSU-Ministerpräsidenten ist und bleibt ein Kuriosum. Das schaut man sich an, das goutiert man, man wählt sie sogar. An der Dominanz der CSU ändert das nichts.
Bayern wie gehabt? Nicht ganz: Den „Republikanern“ wurde am Sonntag in ihrem Stammland vielleicht schon der letzte Sargnagel gesetzt. Sie pendeln unter drei Prozent. Künftig ohne den Parteigründer und Spitzen-Rep Schönhuber, interne Querelen ohne Zahl, Bündnisspekulationen mit der verfeindeten DVU, erzwungen von der Ahnung des Niederganges – das reichte, um die „Republikaner“ schon fast auf Null zu bringen. Die lange bedrückende Perspektive, die Rechten könnten im Oktober sogar die Bonner Bühne erobern, ist damit wohl passé. Der Dank hierfür gebührt dann wohl doch dem Wahlsieger. Anders als Streibl, der, kaum zurückgetreten, sich schon mit Schönhuber traf, hat Stoiber mit Härte die Marginalisierung der „Republikaner“ betrieben. Daß das nicht mit Liberalität, sondern mit Euro-Skeptizismus und Stimmungsmache gegen Ausländer betrieben wurde, war fatal – und erfolgreich. Rechts von der CSU gibt es keine demokratisch legitimierte Partei, die Straußsche Maxime gilt wieder.
Auch für die Grünen gelten die überkommenen Regeln. Für sie bleibt Bayern schwieriges Gelände. Knapp im Landtag, das magere Ergebnis von vor vier Jahren noch unterboten, daraus läßt sich schwerlich ein grüner Bundestrend ableiten. Renate Schmidt, eine auch im grünen Spektrum attraktive Kandidatin, und eine bürgerlich-ökologische ÖDP, die in Bayern für zwei Prozent gut ist, haben den Grünen das Rennen zusätzlich erschwert. Immerhin, Sachsen, Brandenburg und das bayerische Ergebnis holen die Grünen aus den Prognoseträumen des Wahljahres. Für die Mobilisierung der Anhänger am 16.Oktober ist das wertvoller als jede Wahlkampftournee.
Ceterum censeo jedes Wahlkommentars: Die FDP, bisher noch im Landtag vertreten, muß zum sechsten Mal in Folge draußen bleiben. Doch jetzt, so wird Klaus Kinkel alle Zweifler neuerlich glauben machen, „jetzt geht's los“. In drei Wochen haben die Liberalen ihre entscheidende und letzte Chance. Daß das Funktionsargument – „Mit uns für Kohl“ – noch reichen könnte, wird dennoch immer zweifelhafter. Für Bundestagswahlen sind bayerische Ergebnisse nicht sonderlich aussagekräftig. Die Union wird, wie nach Sachsen und Brandenburg, weiter „Kontinuität statt Wechsel“ plakatieren und ansonsten über die Existenzkrise ihres liberalen Koalitionspartners hinwegargumentieren. Die SPD wird ihr Plus in Bayern schon als deutliches Zeichen einer echten Trendwende interpretieren. Gelingt es den Sozialdemokraten, noch einmal ein bißchen Spannung zu suggerieren? Die Ansprüche an die wichtigste Wahl in diesem Jahr sind gering geworden. Schon für ein bißchen Spannung in den letzten drei Wochen wären alle dankbar. Matthias Geis
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