■ Kommentar: Wenn Krähen hacken
Manchmal verlieren selbst Krähen die Beherrschung. Der Streit um Schmutz, Filz und Fehler beim Senats-Engagement in Sachen Hamburger Stahlwerke nimmt immer groteskere Formen an. Der Kreis der etwa zwei Dutzend SPD-Politiker, Rechtsanwälte und Beamte, der das HSW-Ding fingert und fingerte, fällt in immer bösartigerem Zorn übereinander her.
Sozi-Banker contra Sozia-Manager contra Sozi-Senatoren – ein buntes Treiben nach Art bayerischer Dorfschwänke. Die Sache ist allerdings so spaßig nicht. Da geht es zunächst um persönliche Vorteilsnahme, um den tiefen Sumpf von privaten Geschäften und privater Politkarriere, eine Frage politischer Mindestmoral, deren Dimension weder Weiland noch Voscherau bis heute begriffen haben, auch wenn strafrechtlich oder ziviljuristisch bedeutsame Fakten, da hat Weiland mit seiner Retourkutsche wohl sachlich recht, bislang nicht vorliegen.
Erschreckend auch der aktuelle Zustand von Senat und SPD: Das rechte Lager, bis vor kurzem noch ein Ausbund an Loyalität, befindet sich in heller Auflösung. Man könnte diesen Zustand witzig, ja sogar angemessen finden, hätte er nicht so fatale Auswirkungen: Im Rathaus wird nicht an der erforderlichen Trendwende Richtung ökologischer Erneuerung der Industriegesellschaft, in Hamburg nach langen Jahrzehnten industriepolitischen Wahns überfällig, oder an klugen Zukunftslösungen für die 750 HSW-ArbeiterInnen gewerkelt.
Statt dessen spielen Senatoren Brieftaube, Bürgermeister Weißwäscher und Beamte Verkaufsroulette mit Steuerzahlermillionen. Realsatire ist nicht nur härter und bösartiger als Satire – sie treibt einem jedes Lachen aus.
Florian Marten
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