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■ KommentarHauptsache militant

Ostermarsch out, „gewaltfreier Widerstand“ eine archaische Vokabel aus der Hippie-Bewegung und Sitzblockaden zu Hunderttausenden ein belächeltes Relikt unterentwickleter Revolutionäre? Mitte der 90er Jahre eint die deutschen Friedens-, Dritte-Welt- und Anti-Atom-Bewegten vor allem ihre Trägheit.

Ganze 25 Seelen hat es in Hamburg aufgeregt, daß ein hochgefährlicher Transporter mit radioaktivem Material ganz legal und am hellichten Tag mitten durch dicht besiedelte Wohngebiete rattern sollte. Von solchen „Massen“, die sich am S-Bahnhof Barmbek – oder anderswo – einfanden, lassen sich weder Politiker noch Medien beeindrucken: da wird, wenn überhaupt, gelächelt und gegähnt.

Doch die Wut und Gewaltbereitschaft bei der Handvoll Atomkraftgegner wächst umgekehrt proportional zur Anzahl. Und auch der taz wäre der Castor-Protest ohne die gestrigen Anschläge auf die Bahnstrecken höchstens eine Fünf-Zeilen-Meldung wert gewesen. Somit geht Strategie der Anschläger, daß nur noch Militanz Aufmerksamkeit erregt, wieder einmal auf.

Die Gefahren, die von Bahngleis-Attacken ausgehen, haben jedoch eine andere Qualität als bedrohte Flüchtlinge zu verstecken, leerstehende Häuser zu besetzen und gequälte Tiere zu befreien. Beim Bahnanschlag werden auch unbeteiligte Menschen gefährdet, und da ist das Argument, daß Castor-Transporte das auch tun, zynisch.

Daß es zumindest in diesem Jahr keine weiteren Castor-Einlagerungen in Gorleben geben wird, ist nicht den Bahn-Attentätern zu verdanken, sondern der juristische Erfolg hartnäckiger Kläger. Militanz allein überzeugt nicht. Heike Haarhoff

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