■ Kommentar: Findige Raffgier
Wer hätte das gedacht: Die abgrundtiefe Finanznot der Stadt hat aus biederen Stadthaushältern geniale Finanzjongleure werden lassen. Mit findiger Raffgier wird die Stadtentwässerung an sich selbst verkauft, die Pensionskasse der Stadtreinigung angezapft und jetzt der unternehmenspolitische Ringelpietz mit Anfassen von HEW und HWW in die Wege geleitet.
Bei aller Bewunderung für Runde, Voscherau und Vahrenholt: Die Genialität, durch Tricks die stillen Reserven städtischer Unternehmen zu verflüssigen, hat bittere Kehrseiten.
Kehrseite eins: Haushaltslöcher werden mit dem Geld der Gebührenzahler gestopft. Auch wenn mancher darin eine nützliche verkappte Ökosteuer sieht – zuallererst ist es unsozial. Und: Die ausgebluteten Müll- und Wasserfirmen sind zu eigenfinanzierten Ökoinvestitionen kaum noch in der Lage.
Kehrseite zwei: Die Gewinne von Abwasser, Trinkwasser und Datennetzen fehlen künftig in der Stadtkasse. Anders formuliert: Der Senat des Jahres 1995 bürdet allen kommenden Stadtregierungen milliardenschwere Hypotheken auf.
Kehrseite drei: Der Gestaltungsspielraum für Politik wird immer kleiner. Dies gilt besonders für die HEW: Wird sie jetzt zum Mammutkonzern mit dem Zugriff auf Strom, Gas, Wasser, Müll und Telekommunikation hochgepäppelt und anschließend teilverkauft, dann kann die kommende grüne UmweltsenatorIn vielleicht mit ihrer Heckenschere noch am Schilf in der Alster rumschnipseln – von Politik dürfte jedoch keine Rede mehr sein.
Und genau dies ist der tiefere Sinn der Tafelsilbertricks: Voscherau & Co wollen nicht bloß Haushaltslöcher stopfen, sie verkaufen die Politik. Die Sozis schaffen ihren Staat selbst ab.
Florian Marten
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen