■ Kommentar: Rückhaltlos aufklären
Stimmt auch nur ein Bruchteil der Anschuldigungen, die die ehemaligen BewohnerInnen des abgebrannten Flüchtlingsheims an der Lübecker Hafenstraße gegen Polizei und Staatsanwaltschaft erheben, dann ist es nicht mehr zu leugnen: Nach Hamburg hat auch Lübeck einen Polizeiskandal erster Klasse.
Einseitige Ermittlungen, die von falschen Polizei-Behauptungen flankiert werden, eine erschreckende Untätigkeit der spät angerückten Polizei am Brandort, die nächtliche, stundenlange Vernehmung schwerverletzter Flüchtlinge im Krankenhaus und die Vorverurteilung des Verdächtigen als Täter – Vorwürfe, die ein fatales Licht auf die Arbeit der „Ordnungshüter“ werfen.
Anschuldigungen, die bewiesen oder widerlegt werden müssen, um Licht ins Dunkel um die Mordbrennerei von Lübeck zu bringen. Ermittelt wird natürlich schon. Gegen das Brandopfer Saofan E. und den mit Morddrohungen überzogenen Lübecker Bürgermeister Michael Bouteiller, der mit seinem Aufruf zum „zivilen Ungehorsam“ eindrucksvoll bewiesen hat, daß es vielleicht noch Politiker mit Rückgrat gibt.
Daß es bei den Vorwürfen gegen die Polizei nicht unbedingt zur Aufklärung beiträgt, wenn Beamte gegen ihre eigenen KollegInnen ermitteln müssen, hat Hamburg eindrucksvoll bewiesen. Die Einrichtung einer internationalen Aufklärungskommission macht hier ebenso Sinn wie die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses der Lübecker Bürgerschaft. Marco Carini
Siehe auch Bericht Seite 4
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