■ Kommentar: An die Leine
Ein Biotop von europäischer Bedeutung im großstädtischen Ballungsraum, das ist exotisch. Da gibt es also auf einer Feuchtwiese in der Metropole an der Elbe einen weltweit gefährdeten Vogel, dessen Namen man noch vor wenigen Monaten eher mit einem exquisiten Menü assoziiert hätte. Bis heute ließ der nur sein Krächzen vernehmen, sich selbst aber nicht ein einziges Mal blicken. Ein Phantom quasi.
Und so eine kuriose Wachtel sollte ein milliardenschweres Bauvorhaben sowie Wohnraum in der Größenordnung einer Kleinstadt verhindern? Hamburg hätte für den Wachtelkönig die gleiche Verantwortung zu tragen wie Afrika für die Elefanten? Das Schenkelklopfen der Senatoren ist unüberhörbar.
Denn sie wissen: Die Verhältnismäßigkeit ist auf ihrer Seite. Von den Naturschützern aus Brüssel haben sie nichts zu fürchten, europäische Gesetze sind dehnbar. Umweltschutz in der Großstadt wird einmal mehr auf lächerlichen Fanatismus reduziert. Und das ist den Senatoren nur recht. Lenkt die medienwirksame Diskussion um den Wachtelkönig doch vom eigentlichen Problem ab: Ein Groß-Ghetto mit den bekannten sozialen Folgeproblemen aus dem Boden stampfen zu wollen.
Doch in der fortschrittlichen Großstadt muß es das Ziel moderner Politik sein zu beweisen, daß die Koexistenz von Naturschutzgebiet und Großwohnsiedlung keine Utopie bleiben muß. Haustiere werden – so sie ihren Jagdtrieb nicht freiwillig einstellen – zu Hausarrest verdammt. Nur an Leinenzwang für Senatoren, deren Vorstellungen von Siedlungsplanung ins allgemeine Unwohl abdriften, hat noch niemand gedacht.
Heike Haarhoff
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