Kommentar: Zusammengebraut
■ Bavaria: Wie Nieten in Nadelstreifen St. Pauli zum Überlaufen bringen
Die Schließung der Bavaria-Brauerei stellt keine Standortfrage, sondern beantwortet sie: Nicht Lohnnebenkosten, nicht gewerkschaftliche Forderungen, nicht Unproduktivität gefährden Arbeitsplätze und Industriebetriebe, sondern die Nieten in Nadelstreifen. Und wenn kapitalistische Borniertheit und eklatantes Mißmanagement zusammentreffen, interessieren Lohnverzichts-Angebote und Nullrunden nicht mehr.
Daß die betroffenen Beschäftigten den Appell des Bürgermeisters nach Standortpatriotismus ebenso wie die vielzitierten überteuerten deutschen Arbeitsplätze nur noch als Global-Verarschung empfinden können, ist wenig verwunderlich. Es macht außerdem deutlich, daß Schlüsselentscheidungen für die Hamburger Wirtschaft nicht mehr in dieser Stadt getroffen werden. Denn nicht nur bei Bavaria, auch im Fall der Traditions-Werft Blohm+Voss, sitzen die Bosse fernab der Elbe.
Der Senat kann jetzt außer Bitten und Betteln kaum etwas zur Rettung lokaler Arbeitsplätze beitragen. Er kann und wird aber überdenken müssen, ob das Hofieren der Wirtschaft und das Nachbeten ihrer Klagen heute noch als Wirtschaftspolitik gelten kann. Im Fall Brau und Brunnen hat Hamburg das Elbschlößchen als Trumpf in der Hand. Das ist ein Einzel- und Zufall.
Den Stadtteil St. Pauli wird die auch vom Senat zusammengebraute Krise zum Pulverfaß machen. Vor diesem Hintergund sollte die Schließung des Hafenkrankenhauses noch einmal überdacht werden. Denn letztlich gilt für alle nadelgestreiften Nieten: Vereinigt Euch. Und dann verpißt Euch. Silke Mertins
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