■ Kommentar: Das System Klemann
Verkehrssenator Jürgen Klemann (CDU) hat ein Problem: Alles, was er für ÖPNV und Parktickets unternimmt, muß er vor der Autolobby sofort rechtfertigen: Beim bezahlten Parken versichert er, niemand wolle die Autofahrer „abzocken“. Parken sei in Berlin vergleichsweise billig. Bei der Beschleunigung von Bus oder Bahn muß er hinzufügen, in Berlin könne man doppelt so schnell mit dem Auto durch die Stadt fahren wie anderswo.
Wenn Klemann von Verkehr spricht, meint er Autoverkehr. Die Parkraumbewirtschaftung, entwickelt unter Klemanns Vorgänger Herwig Haase, ist im System von Senator Klemann und Staatssekretär Ingo Schmitt ein zentraler Punkt. Das Dogma der Verkehrsverwaltung lautet schließlich: Jeder Punkt der Stadt muß jederzeit mit dem Auto erreichbar sein. Das ist die Verlängerung der Planungen einer „autogerechten Stadt“ aus dem West-Berlin der sechziger und siebziger Jahre. Die Parkraumbewirtschaftung ist deshalb für Klemann ein Erfolg, weil sie die Zahl der freien Parkplätze und die Erreichbarkeit der City erhöht. Die Einnahmen, versichert er glaubhaft, sind nur Nebeneffekt und kein Mittel, die Staatskassen aufzufüllen.
Mit diesem System nun hat die Stadt ein Problem. Durch mehr Parkplätze und weniger Suchverkehr wird die City für Autos attraktiver: Mehr Menschen fahren mit dem Auto in die Stadt, ungehindert von hohen Strafzöllen. Dieser völligen Erreichbarkeit der Innenstadt für jeden Automobilisten steht die Idee einer fußgänger- und fahrradfreundlichen Innenstadt mit Vorfahrt für den ÖPNV vor dem Auto diametral entgegen. Andere Verkehrsformen sind dem Ziel der totalen Auto-Erreichbarkeit unterzuordnen, Konflikte um den öffentlichen Straßenraum werden im Zweifel für das Auto entschieden. Klemann ist kein durchgeknallter Straßenbahn-Hasser: Sein System ist in sich stimmig, und es funktioniert (noch). Daß dabei die Lebensqualität zum Teufel geht, steht auf einem anderen Blatt. Bernhard Pötter
siehe Bericht Seite 22
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