Kommentar: Normalskandal
■ Über Selbsthilfe und Professionalität
Es waren honorige Ziele, die die GründerInnen der Bremer Aids-Hilfe 1986 zusammenbrachten: Aufklärung und Entdämonisierung der Krankheit, mehr Selbstbestimmung und Hilfe für die Betroffenen, mehr Akzeptanz für Schwule, Offenheit gegenüber DrogenkonsumentInnen. So honorig die Ziele vieler Projekte, so nachvollziehbar sind die Wünsche der jeweiligen Mitarbeiterinnen nach Absicherung: Bezahlung nach den Bestimmungen des BAT, Abfindungsregelungen etc. So honorig die Ziele, so nachvollziehbar die Interessen, so logisch ist der Weg, den die Aids-Hilfe jetzt eingeschlagen hat. Weg vom Verein, hin zu GmbHs – weg vom Gedanken der Selbsthilfe, hin zu dem, was gemeinhin mit der Aura der „Professionalisierung“umgeben wird.
So gesehen ist die Geschichte der Aids-Hilfe geradezu ein Lehrbeispiel für den Weg vieler Projekte. Wenn das gesellschaftliche Engagement erlahmt, müssen die Profis ran. Dann müssen die honorigen Ziele marktgängig sein, oder sie müssen verschwinden. Dann geht es ganz automatisch mehr um die Führung der Geschäfte als um die inhaltliche Initiative. Und dann passiert es eben, daß sich die Profis auch profihaft bedienen.
Den honorigen SpenderInnen für die honorigen sozialen Ziele wird das nicht gefallen. Aber so gesehen: Was bei der Aids-Hilfe passiert, ist ein Normalskandal. Jochen Grabler
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