piwik no script img

KommentarHarmonie im Wildbad

■ CSU: Verwaschene Leerformeln ersetzen inhaltliche Kontroversen

Mythen sind zählebig. Und die Klausurtagung der CSU in Wildbad Kreuth ist ein Mythos aus den Tagen von Franz Josef. Damals war das Treffen allemal gut für wuchtige Zitate, gelegentlich sogar für harte Nachrichten. Der Glanz ist dahin. Die zuversichtlichen Schlußsätze von CSU-Landesgruppenchef Michael Glos und dem Parteivorsitzenden Theo Waigel haben den inhaltlichen Gehalt einer Waschmittelwerbung. Die CSU ist eben entschlossen, sowohl aus den Landtagswahlen als auch aus den Bundestagswahlen siegreich hervorzugehen. Wer hätte das gedacht?

Klausurtagungen dienen ebenso wie Parteitage nur noch selten der Bestimmung eines politischen Kurses oder gar der offenen Diskussion, sondern der Inszenierung von Politik. Als Erfolg gelten derartige Treffen, wenn die jeweiligen Parteien ein Bild der Geschlossenheit präsentieren. Die Verachtung, mit der mittlerweile interne Kontroversen begleitet werden, liefert ein bedrückendes Bild der politischen Kultur unseres Landes. Die Zeiten, in denen Flügelkämpfe als Beweis für lebendige Demokratie gewertet wurden, scheinen der Vergangenheit anzugehören.

Diese Entwicklung hat Folgen. Die Spitzen der jeweiligen Parteien bemühen sich vor allem um Formeln, mit denen sich Meinungsverschiedenheiten möglichst griffig überdecken lassen. Bei zwei wichtigen Themen ist das der CSU in Kreuth jetzt recht erfolgreich gelungen: Euro- Skeptiker und Euro-Befürworter einigen sich darauf, daß der strikten Einhaltung der Stabilitätskriterien größere Bedeutung zukomme als dem Zeitplan und außerdem dem Votum der Bundesbank erhebliches Gewicht beizumessen sei. Aus diesen allgemeinen Formulierungen kann sich dann jede Seite nach Bedarf herauspicken, was ihr gerade gut ins Konzept paßt. Noch krasser ist das Ringen um Harmonie bei der umstrittenen Forderung nach Regionalisierung der sozialen Sicherungssysteme: Statt des Reizwortes „Regionalisierung“ soll künftig der (noch) unverdächtige Begriff der „Föderalisierung“ benutzt werden. Was immer der bedeuten mag.

Parteien sind keine Werbeagenturen. Die steigende Bedeutung, die der Iamgepflege beigemessen wird, schadet ihrer Glaubwürdigkeit. Für die Politikverdrossenheit immer größerer Teile der Bevölkerung gibt es Gründe. Gute Gründe. Bettina Gaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen