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KommentarZehn Tage, die die Welt nicht verändern

■ Der Eiertanz der SPD um die Kandidatenkür

Am 1. März? Vielleicht aber auch am 7. März? Oder doch erst am 16. März? Eventuell schon im Februar, dann aber erst im März drüber reden? So viele Daten, so viele Möglichkeiten. Und so egal.

In einigen Wochen weiß die Nation, ob die SPD Oskar Lafontaine oder Gerhard Schröder als Kanzlerkandidat ins Rennen schickt. Die Entscheidung ist von großer Bedeutung, aber das ist nicht der Grund dafür, daß viele den Termin (welchen auch immer) kaum noch erwarten können. Das Votum wird inzwischen vor allem deshalb herbeigesehnt, weil dann endlich, endlich das Thema vom Tisch ist.

Seit Monaten werden die Kandidaten verglichen. Die Koalitionspräferenzen, die politischen Prinzipien, das öffentliche Ansehen, das Liebesleben, die Bedeutung von Umfragen, die Bedeutungslosigkeit von Umfragen, die Beliebtheit bei der Partei, die Beliebtheit bei den Parteigegnern, die Lieblingsfarben, die Lieblingsschriftsteller, die Lieblingsmahlzeiten – über alles ist geschrieben worden. Oft. Und dann noch einmal. Einzig die Serie „Ich war Hund bei Gerhard Schröder“ steht aus.

Die Kandidaten und ihre jeweiligen Verbündeten tun das Ihre. Sie streuen gezielt Indiskretionen, um hinterher scheinheilig alle Spekulationen zurückzuweisen und mit treuherzigem Augenaufschlag Geschlossenheit zu demonstrieren. Unterdessen spielen Journalisten politisches Toto. Etwa die Hälfte von ihnen wird am Ende auf den falschen Kandidaten getippt haben, noch mehr werden sich im Datum geirrt haben. Da ist die Auswahl größer. Macht nichts, das öffentliche Gedächtnis ist kurz.

Die Frage, wer das Rennen machen wird, ist wichtig. Dazu ist alles längst gesagt worden. Die Frage, ob wir die Entscheidung eine Woche früher oder später erfahren dürfen, ist sturzunwichtig. Trotzdem wird dazu unentwegt weiterhin alles gesagt. Medien und Sozialdemokraten ist es gelungen, eine als unumstößlich geltende alte Grundregel des Journalismus zu widerlegen, daß Personalgeschichten allemal spannender sind als Sachthemen. Die Kandidatenkür der Sozialdemokraten wirkt zuverlässiger als rezeptpflichtige Schlafmittel.

Immer wieder einmal wird die Frage aufgeworfen, ob ein fernsehfreier Tag eine gute Sache wäre. Warum so unbescheiden? Fangen wird doch mal mit einem Tag ohne Spekulationen über die SPD-Kandidaten an. Bettina Gaus Bericht Seite 4

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