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KommentarAm Wendepunkt

■ Nach dem Papstbesuch - das sozialistische Kuba hat eine Opposition

Gibt es eine Opposition in Kuba? „Grupúsculos“, hieß es dazu bislang abfällig von offizieller Seite, winzige Grüpplein von Dissidenten, die, wie es Fidels Bruder Raúl Castro formulierte, „das Volk nicht nur ablehnt, sondern die es nicht einmal kennt!“ Die Logik ist bestechend. Doch die kubanischen Dissidenten sind im Ausland in der Tat bekannter als in Kuba selbst – Ausdruck nicht zuletzt der Fähigkeit des Staates, Oppositionellen keinen öffentlichen Raum zu geben.

Auch als Kubas Politbüro vor zwei Jahren die vorsichtigen Reformansätze in den eigenen Reihen abservierte, gab man sich kompromißlos. Nicht nur die Abweichler selbst müßten bestraft werden, so Raúl Castro, sondern auch all jene, die nicht rechtzeitig gegen das unsozialistische Gedankengut eingeschritten seien.

Der Papstbesuch markiert einen Wendepunkt. Nach der herzlichen Begrüßung durch Fidel Castro ist der Papst zunehmend politisch direkter geworden. Zwischen Bibelzitaten und Stellungnahmen gegen die US-Blockade lasen sich ganze Passagen seiner Predigten als politisches Programm der unkommunistischen Art: „Die Anerkennung der Menschenrechte“, „Versammlungsfreiheit“ und schließlich auch „Demokratie als die der menschlichen Würde adäquateste Form“. Hierfür erhielt er von den Hunderttausenden von KubanerInnen mehr Beifall als für seinen Feldzug gegen Abtreibung und Empfängnisverhütung.

Noch brisanter als diese „Narrenfreiheit“ für den Papst war freilich das Grußwort des Erzbischofs von Santiago de Cuba, in dem er die Einparteienherrschaft der kubanischen KP direkt angriff. Neben ihm auf der Bühne stand Raúl Castro – und hielt den Mund. Noch nie wurde Vergleichbares vom kubanischen Fernsehen live ins ganze Land übertragen.

Auch wenn die Kirche offiziell dementieren mag, daß sie sich als politische Opposition versteht – sie ist es nun de facto geworden. Und nach den Massenveranstaltungen der letzten Tage läuft das gegen sie gerichtete Wort von den „Grüppchen“ ins Leere. Daß ausgerechnet Kubas konservative katholische Kirche damit so eine einzigartige politische Stellung erlangt hat, daran hat die Regierung selbst schuld. Gerade weil sie alle Ansätze zu einer pluralistischen Debatte innerhalb der Revolution gescheut hat, hat sie dem Diskurs von Wojtila & Co solche Räume geschenkt. Bert Hoffmann Bericht Seite 10

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